WER WEISS, WOHIN?

Haschkekse für den Frieden

Wer Krieg verhindern will, muss die Männer ruhigstellen - eine Komödie aus Nahost

Nur eine schmale Brücke über die Schlucht verbindet das Dorf mit dem Rest der Welt. Dahinter beginnt eine mit Stacheldrahtverschlägen, Explosionskratern und Tretminen vernarbte Landschaft. Der Krieg zwischen Christen und Moslems hat in dem namenlosen Dorf im Nahen Osten tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur in der Landschaft, sondern auch auf dem Friedhof, wo die Gräber der Männer beider Religionsgemeinschaften, die sich lange gegenseitig bis auf's Blut bekämpft haben, einander direkt gegenüber liegen.

Schon seit ein paar Jahren herrscht Frieden im Ort. Die Kirche und die Moschee stehen einträchtig nebeneinander, die Frauen und Männer beider Glaubensrichtungen treffen sich im einzigen Café, das von Amale betrieben wird, und die Inbetriebnahme des ersten TV-Gerätes im Ort wird als gemeinsamer Schritt ins 21. Jahrhundert mit einem zünftigen Ziegenbraten gefeiert.

Aber schon am zweiten Fernsehabend flimmern die Nachrichten eines neu aufkommenden Bürgerkrieges über die Mattscheibe. Da steht eine Frau auf und beschimpft lautstark die Nachbarin, weil sie den Müll in ihren Garten geworfen haben soll. Eine andere stimmt ein, und in kürzester Zeit haben die Frauen einen Tumult angezettelt, der die Nachrichten vom herannahenden Krieg übertönt. Nur zu gut wissen sie, wie leicht entflammbar die Gemüter der Männer sind. Zu viele ihrer Söhne und Ehemänner haben sie schon begraben müssen.

Aber auch wenn die Frauen in der nächsten Nacht den Fernseher zertrümmern, spannt sich die Lage im Dorf immer mehr an.

Ein paar Ziegen verirren sich in die Moschee und verwüsten den Gebetsraum. Das Weihwasserbecken in der Kirche wird mit Hühnerblut verunreinigt.

Schuld sind natürlich immer die Anderen, und es sind stets die Männer, die wutentbrannt aufeinander losgehen, während die Frauen mit und ohne Kopftuch die Streithähne auseinanderzupfen. Ihnen ist klar, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die Männer wieder ihre Gewehre aus dem Keller holen, und so lassen sich die Frauen einige unorthodoxe Methoden einfallen, um die gewaltbereiten Männer besänftigen.

Von einer Marienerscheinung über die Einschleusung ukrainischer Stripperinnen in die Dorfgemeinschaft bis hin zur Beigabe von Haschisch und Betäubungsmitteln in Brot und Gebäck reichen die pazifistischen Kampfmittel der beherzten Damen.

Nach ihrem gefeierten Debüt Caramel, in dem Nadine Labaki eine sinnliche Liebeserklärung an ihre Heimatstadt Beirut formulierte, begibt sich die libanesische Filmemacherin mit Wer weiß, wohin? weg von moderner Urbanität und gegenwärtigem Realismus hin zu einem dörflichen Ambiente, das den Hintergrund für eine märchenhafte Geschichte bildet.

Martin Schwickert

Et maintenant, on va où? F / Libanon / Ägypten / It 2011 R: Nadine Labaki B: Thomas Bidegain, Nadine Labaki, Rodney Al Haddid, Jihad Hojeily, Sam Mounier K: Christophe Offenstein D: Claude Baz Moussawbaa, Leyla Hakim, Nadine Labaki