»TÖDLICHE WEIHNACHTEN« Feinster Feiertagskrawall
Renny Harlin sorgt samt Gattin für unruhige Festtage Eigentlich könnte Samantha Caine glücklich sein: Ein guter Job als Lehrerin in einer beschaulichen Kleinstadt, ein wirklich netter Kerl als Mann an ihrer Seite und ein bezauberndes Töchterchen. Samantha ist auch glücklich. Wären da nicht Fragen wie: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wer ist der Vater meines Kindes? Und wer, verdammt noch mal, ist diese Hackfresse, die gerade mein Haus zerlegt und mich mit einem Zimmergranatwerfer ins Jenseits zu schicken versucht? Solche Fragen sind verwirrend, zugegeben, und da versteht es auch der Kinozuschauer, daß die biedere Samantha das Angebot des zwielichtigen Privatschnüfflers Mitch Henessy annimmt, Licht ins Dunkel zu bringen. Das Dunkel endet etwa acht Jahre, bevor die Handlung einsetzt. Da lag Samantha halbtot an einer felsigen Küste, mit einem Kind unter ihrem Herzen, aber ohne jede Erinnerung. Sie hat gelernt, damit zu leben. Aber jetzt kommt die Erinnerung wieder, stückchenweise. Sie ist zum Beispiel eine meisterliche Gemüsehäckslerin, ohne es jemals gelernt zu haben. Sie kann verwundetem Rotwild fachmännisch den Hals umdrehen. Und fremden Männern, die die Weihnachtsvorbereitungen stören, auch. Handlungsbedarf. Sam und Mitch machen sich auf den Weg, mit nichts als einem Haufen alter Bücher - ein Gruß aus der Vergangenheit. Sie finden eine Spur. Ein Mann, der in eins der Bücher eine Widmung geschrieben hat. Allerdings findet beim ersten Date eine erkleckliche Anzahl unbeteiligter Passanten in einem Bahnhof einen blutigen Tod. Weil schießwütige Unbekannte das Treffen verhindern wollen. Sam und Mitch retten sich durch einen ersten Sprung in eiskaltes Wasser (toller Stunt!). Und bald ist der Widmungsschreiber tot, umgebracht von den Finstermännern, die Mitch halb tot geschlagen haben und Sam ganz besonders fies foltern: gefesselt an das Rad einer Wassermühle - im kalten Wasser. Sie wollen wissen, was Sam weiß. Und der dämmert langsam, daß die Erkundung ihrer Vergangenheit gewisse Risiken birgt. Und viel Kälte. Und kommt, nachdem sie sich gerettet - und einige Bösewichter ausgeschaltet - hat, darauf, daß sie gar nicht die nette Samantha ist, sondern eine ehemalige Elite-Killerin namens Charly Baltimore, daß sie nicht brünett sondern blond ist und daß sie ihre körperlichen Reize durchaus auch zur Kurzanästhesie benutzen kann, etwa beim Pflasterabreißen an Mitchs geschundenem Körper. Herrliche Szene, das, aber Mitch würde nicht so gaffen, wüßte er, was ihm noch bevorsteht. Eine Regieanweisung beschreibt Mitchs Erscheinungsbild kurz vor dem Ende etwa so: "Man wundert sich, daß jemand, der so aussieht, noch am Leben sein kann." Das ist Tödliche Weihnachten : Hemmungsloser Krawall, mit Craig Bierko als nettestem und charmantestem Chef-Bösewicht aller Zeiten, Samuel L. Jackson in Top-Form als Mitch Henessy und Geena Davis, die hier nicht behende durch die Wanten schwingen muß, sondern draufhauen und losballern. Was sie sehr gut kann. Woher sie den größten Teil ihrer High-Tech-Assault-Ausrüstung hat, bleibt neben diversen Story-Feinheiten das Geheimnis des Drehbuchautoren Shane Black, aber was soll's? Tödliche Weihnachten geht los wie eine tiefergelegte Kampfpanzer-Rotte auf Speed, und trotz gewisser inhaltlicher Ungereimtheiten funktioniert es prächtig, weil Charly sich (und später das Töchterchen; schlimm, was Kindern heutzutage in Filmen zugemutet wird!) immer irgendwie befreien muß, immer unterwegs, und für jeden plattgemachten Gegner tauchen mindestens drei frische auf. Und am Ende wird ein Komplott wirklich monströser Ausmaße präsentiert: ein staatlicher Geheimdienst macht mit Terroristen gemeinsame Sache, damit das Budget nicht gekürzt wird. Laßt das nicht den Schmidtbauer hören!
Jens Steinbrenner
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