W.E.

Aus lauter Liebe

Madonna verfilmt Frisör-Literatur

Solche Geschichten stehen in goldenen Blättern zwischen Schminktipps und Gala-Reportagen: Eine Bürgerliche verliebt sich in einen Prinzen, und der gibt seinen Thron für sie auf. Oder: Die schöne Frau des reichen Arztes kann keine Kinder von ihm kriegen und brennt mit einem Museumswärter durch. Die Frauen heißen Wallis und Wally, die Männer Edward und Evgeny, und der Film heißt W.E., weil das Kombinations-Initial so schön nach "wir" klingt.

Tolle Idee, eigentlich. Der erste Fehler ist aber schon nach 2 Minuten da. Falls es nicht ein Omen ist. Wallis Simpson lässt 1924 Wasser in ihre Badewanne, aus zwei Hähnen, für warm und kalt. Und dann hält sie die Hand temperaturfühlend unter einen Hahn. Madonna füllt ihren ganzen Film aus zwei Hähnen, Fast-Gegenwart und Beinahe-gegenteiliger Vergangenheit. Und genug Parallel-Montagen für zwei Seminare und ein Dutzend Filme. In einer früheren W.E.-Fassung, die bei Festivals in Venedig und Toronto durchfiel, gab es noch mehr.

Jetzt geht, immer noch parallel zu Wallis Simpson, die moderne Wally 1998 in New York in die Wanne, Wallis wird gleich danach von ihrem ersten Mann brutal geprügelt, Wally kriegt später Schläge von ihrem. Wallis steigt, man weiß nicht wie, zur zwitschernden Gesellschaftsdame am englischen Hof auf, Wally ist schon umschwärmt im besseren New York, will aber lieber Kinder haben und haut sich Hormonspritzen rein, als wäre es das schiere Heroin. Außerdem streunt sie in einer Show bei Sothebys herum, wo die "Romanze des Jahrhunderts" gefeiert wird, nämlich die von Wallis und Edward. Ein Blick in eine Vitrine und schwupps sind wir im Damals.

Teils in Originalaufnahmen, teils in geschickt daraus entwickelten Spielszenen gehen Wallis und Edward ihre Mesalliance ein, tollen verliebt in Europa herum, düpieren den Hof und lassen vor allem den Ausstatter des Films gut aussehen.

Fragen nach Psychologie oder Politik kommen nicht vor. Woher nahm die Bürgerliche ihre Chuzpe? Wie konnte der gelernte Thronfolger es so weit kommen lassen? War Wallis eher Groupie als selbstbewusste Frau? Was war mit ihren Kontakten zu Nazi-Deutschland?

Madonna, die auch am Buch mitschrieb, interessiert sich mehr für Teetassen und Geschmeide, ohne ihre Traumfrau ausdrücklich als material girl zu verunglimpfen. Dazu reicht schon der durchaus beeindruckende formale Aufwand der historischen Szenen. Und die, wiederum bei handwerklich makelloser Durchführung, inhaltlich völlig leere Gegenwarts-Kontrast-Folie.

Die visionären Begegnungen von Wallis und Wally fallen meist auf Frauen-Illustrierten-Niveau ab. Bis auf eine: Traurig sinkt Wallis aufs Bett, tröstend tätschelt Wally sie und, rumms, gibt die Königsmörderin der Romantikerin eine schallende Ohrfeige: "Dies ist kein Märchen". Ja doch.

Wing

GB 2011. R: Madonna B: Madonna, Alek Keshishian K: Hagen Bogdanski D: Abbie Cornish, Natalie Dormer, James Fox, James D'Arcy, Andrea Riseborough, Richard Coyle