WATER

Bußfertig

Dieser indische Film über Frauenunterdrückung musste im Ausland gedreht werden

Erinnerst du dich an deine Hochzeit?", fragt der Vater. Die Tochter schüttelt den Kopf. "Dein Mann ist tot. Du bist jetzt eine Witwe", fügt er hinzu. Chuyia (Sarala) ist erst Acht, als ihr Mann stirbt, mit dem sie wenige Jahre zuvor in einer arrangierten Ehe verheiratet wurde. Nach den hinduistischen Traditionen im Indien des Jahres 1938 hat die Frau nur als Teil des Ehemannes eine soziale Berechtigung. Stirbt dieser, kann sie ihm in den Tod folgen, dessen Bruder heiraten oder - wie Chuyia - den Rest des Lebens in Keuschheit und Armut in einem Ashram für Witwen verbringen.
14 Frauen zwischen 20 und 80 Jahren leben in dem Witwenheim in der Nähe des Ganges. Die Leiterin Madhumati (Manorma) führt ein strenges Regime, in das sich die junge Chuyia nur langsam einfindet. Außerhalb des Ashrams werden die kahlgeschorenen, in einen weißen Sari gekleideten Witwen wie Aussätzige behandelt. Ihr Schicksal ist es, durch asketisches, streng religiöses Leben die vermeintliche Schuld am Tod des Mannes wieder gut zu machen.
Die verbitterte Shakuntala (Seema Biswas) hat sich in dieses Schicksal eingefunden und nimmt Chuyia unter ihre Fittiche. Aber das junge Mädchen stört mit seiner Lebensenergie und respektlosen Fragen ("Gibt es auch ein Witwenheim für Männer?") das phlegmatische Gleichgewicht des Ashrams und tut sich mit der schönen Kalyani (Lisa Ray) zusammen. Als Einzige durfte diese ihre langen Haare behalten, weil sie von der herrschsüchtigen Heimleiterin in die Prostitution hineingezwungen wurde. Als sie sich in den jungen Ghandi-Anhänger Narayan (John Abraham) verliebt, droht der moralische Mikrokosmos des Ashrams in sich zusammenzustürzen.
Mit Water setzt die indisch-kanadische Filmemacherin Deepa Mehta ihre Elemente-Trilogie über Indien fort. In Earth erzählte sie von der Trennung Pakistans und Indiens nach dem Ende des Kolonialismus, in Fire setzte sie ein lesbische Liebe im engen Moralkorsett der hinduistischen Gesellschaft in Szene.
Wie aktuell Water ist, zeigen die Reaktionen fundamentalistischer Hindu-Gruppen, die mit 2000 Randalierern die Filmsets niederbrannten und der Regisseurin Morddrohungen zukommen ließen. Erst fünf Jahre später konnte das Projekt in Sri Lanka mit veränderter Besetzung erneut in Angriff genommen werden.
Dabei ist Water alles andere als ein Pamphlet. Bei Metha ist das Politische eine sehr persönliche Angelegenheit und wird glaubwürdig aus den Figuren heraus entwickelt.

Martin Schwickert

Kanada/Indien 2005 R&B: Deepa Mehta K: Giles Nuttgens D: Sarala, Lisa Ray, John Abraham