»WASTED« Pillenkriege
Action ohne Inhalt - der Film zum Rave Am Anfang steht ein Versprechen: "Wie heißt Du?" - "Jacky." - "Was sind wir?" - "Zusammen." - "Was wollen wir?" - "Volle Dröhnung!" Mit diesem eheähnlichen Minimalgelübde ziehen Martijn und Jacky aus der niederländischen Provinz in die Drogenmetropole Amsterdam. Die ersten XTC-Pillen küssen sie sich noch gemeinsam von der nassen Zunge, dann driftet das junge Paar in der großen Stadt auseinander. Während Martijn mit geregeltem Bier- und Mariuhanakonsum seinem langhaarigen Hippie-Image treu bleibt, taucht Jacky immer tiefer in die drogengesättigte Techno-Szene hinein. Die Kamera bleibt ihr dabei dicht auf den Fersen. Mit extremen Nahaufnahmen dringt sie förmlich in die Figuren ein. Im Rausch verlieren die Bilder ihren Halt, explodieren und zerlaufen zu grellbunten Gemälden. Kein Zweifel: Der niederländische Kultregisseur Ian Kerkof gibt sich mit hektischen Schnitten und digitalen Bildverfremdungen alle Mühe, das Lebensgefühl der Techno-Generation filmisch zu simulieren. Das ist optisch sehr beeindruckend und inhaltlich umso enttäuschender, denn Kerkhof reiht brav alle Klischees aneinander, die über die partysüchtige Jugend der 90er im Umlauf sind. Jacky führt die typische Raver-Existenz. Am Tage jobbt sie in einem Szene-Laden. In der Nacht zieht sie von einer Party zur anderen. Als sie für den extracoolen JP mit Pillen zu dealen beginnt, verstrickt sie sich immer mehr in einem Netz aus kriminellen Machenschaften, sexueller Hörigkeit und drogenbedingter Abhängigkeit. Erst als Jacky am Tiefpunkt angelangt ist, hat sie die Kraft zur Umkehr - eine Biographie wie aus einer Broschüre des Landesdrogenbeauftragten. Wasted gibt vor, hinter die Kulissen der Subkultur zu schauen und entdeckt dort mafiose Strukturen. Skrupellose DJs kämpfen sich mit schmutzigen Tricks an die Spitze der Charts. Dubiose Hintermänner profitieren von den Mega-Partys. Eiskalte Dealer mit langen schwarzen Mänteln greifen oft zu Knarre und Handy. Ian Kerkhof vermischt die Läuterungsdramaturgie seiner Geschichte mit halbherzigen Krimi-Elementen. "This is not a Tarantino-Movie. It's reality" sagt der Party-Guru, bevor er von Dealern mit Kotellettenbärten zur Strecke gebracht wird. Ian Kerkhofs Film ist keins von beidem. Wasted zeichnet ein äußerst oberflächliches Sittengemälde der Techno-Szene. Die Hauptfiguren bleiben psychologisch unmotiviert. Ihre Gründe für den prallen Drogenkonsum scheinen Kerkhof genausowenig zu interessieren wie die Frage, warum diese Zeit diesen Lebensstil hervorgebracht hat. Stattdessen fließt alle Energie ins hochmoderne Styling der Bilder. Hemmungslos biedert sich Kerkhof der Szene an, die er so schick kritisiert. Dabei tut er genau das, was er der Partygeneration vorwirft: er versteckt die innere Leere hinter einer künstlichen, grellbunten Fassade. Wie formulierte ein Kollege nach der Vorführung so unvergleichlich: "Viele haben von Techno keine Ahnung. Aber nicht jeder macht daraus einen Film...
Martin Schwickert
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