WAS AM ENDE ZÄHLT

Wildes Berlin

Das Sozialarbeiterkino der 70er feiert fürchterliche Auferstehung

So geht das: Einer jungen Frau wird am Bahnhof alles geklaut. Sie ist verzweifelt, will aber nicht die Polizei rufen und geht stattdessen mit dem nächstbesten Ambratwurststandherumsteher nach Hause und in sein Bett. Der Ambratwurststandherumsteher sieht zwar asoizial aus, ist aber Unternehmer und gibt der jungen Frau einen Job auf seiner Baustelle. Die Baustelle ist ein stillgelegter Spree-Dampfer, auf dem ein paar offensichtlich unqualifizierte Helfer fleißig schaffen, um den Abbruch-Kahn in ein 24 Stunden-Restaurat zu verwandeln. Dort wird Carla, die junge Frau, entdecken, dass der forsche Bauunternehmer sie schwängerte.

Wem das noch nicht trist genug ist, der sollte sich die Bilder anschauen, die sich Julia von Heinz hat einfallen lassen. Da steht die Kamera immer genau da, wo sie am effektivsten ist. Da setzt der Schnitt immer genau da ein, wo es vielleicht was zu sehen gegeben hätte. Und wenn alle Klischees über das wilde alternative Leben in Berlin nicht reichen: Wir haben bis jetzt die fröhliche Freundin Carlas, die Bauarbeiterin Lucie, unterschlagen, die mit ihrem drogensüchtigen Bruder eine Wohnung sucht... so geht das hier dauernd. Was am Ende zählt setzt die Tradition des drögen Thesenkinos aus den 70ern munter fort. Die 1976 in Berlin geborene Autorin und Regisseurin plappert denn auch munter vor sich hin über "Sehnsüchte, die scheinbar nicht zusammenpassen" und dass es letztlich "völlig egal" sei, "wie eine Familienkonstellation aussieht, so lange sie richtig ist." Von derartiger Tiefe ist auch der Film.

Das wirklich Enervierende ist ja nicht, dass diese Thesen so flach und so blöd sind. Das auch. Entnervend ist: Wie unsinnlich das alles daherkommt. Dass so wenig Wert gelegt wird auf die Mittel des Mediums. Und dass die handwerkliche Unfähigkeit immer wieder von Anstalten wie arte oder dem WDR gesponsert werden muss, nur damit man auf dem "Internationalen albanischen Jugendfilmfestival 2007" einen Preis erhält. Ernsthaft.

Es ließen sich aufregende Filme denken über einsame junge Frauen, sogar in Berlin. Meinetwegen mit der Bielefelderin Paula Kalenberg als Carla und der mutigen Marie Luise Schramm als Lucie, die sich hier beide wacker schlagen. Aber nicht mit diesem technischen Personal. Regisseurin zum Beispiel ist ein Beruf. Ernsthaft.

Thomas Friedrich

D 2007. R: Julia von Heinz. B: Julia von Heinz, John Quester. K: Daniela Knapp. D: Paula Kalenberg, Marie Luise Schramm, Benhamin Kramme, Vinzenz Kiefer.