»WAG THE DOG«

Warum Albanien?

Endlich mal eine kluge Medien-Satire

Zu Dumm. Mitten im Wahlkampf läßt sich der Präsident der Vereinigten Staaten zu einem Schäferstündchen mit einer Schülerin hinreißen. Das Mädel packt aus, die Nachricht läßt sich nicht mehr verhindern. Skandal! Schlammschlacht! Der politische Gegner reibt sich die Hände. Die Presse freut sich: Endlich wieder was los im Oval Office bzw. in dem kleinen Kabuff dahinter, denn da soll's passiert sein. Was tun?
Der Präsident ruft einen netten älteren Herrn zu Hilfe. Conrad Brean (Robert De Niro, wieder mal sehr souverän) eilt ein geradezu legendärer Ruf voraus. Er ist Fachmann für besonders verfahrene Situationen. Und weil er es blendend versteht, jede noch so faustdicke Lüge hinter einem unverbindlichen Lächeln zu verstecken, manipuliert er so lange an der Wahrheit herum, bis eine völlig neue Realität entsteht. Also schwingen sich erstmal ein paar frei erfundene A-3 Bomber in die Lüfte um ein Land zu bombadieren dessen Namen Brean momentan noch nicht kennt. "Ich arbeite daran, " pflegt er dann zu sagen.
Wenn es um Publicity geht, ist Krieg eine herrliche Angelegenheit. Der große Knall lenkt bestens von den kleinen Indiskretionen ab, diesen schmutzigen Geschichten, für die man sich nur interessiert wenn wirklich nichts besonderes los ist. "Wir werden den Krieg mit Albanien führen" sagt Conrad. "Wieso Albanien" fragt verdutzt die junge präsidiale Beraterin Winifred Ames (Anne Heche eine echte Entdeckung). "Wieso nicht?" entgegnet Conrad, "Kein Mensch in den USA weiß wo dieses Land ist". In Wirklichkeit wird dieser Krieg niemals stattfinden. Es wird zwar Bilder davon geben, aber die sind von vorne bis hinten Fake.
Wie genial Wag The Dog als Satire funktioniert, sollte schon jeder selbst rausfinden. Jedenfalls könnte man angesichts der aktuellen Ereignisse seinem Regisseur Barry Levinson fast schon prophetische Fähigkeiten attestieren. Das Glück, daß eine gewisse Monika Levinsky, ziemlich paralel zum Filmstart in den USA, vollmundig ('is ein elender Kalauer, ich weiß) über ihr tete à tete mit einem gewissen Mr. Clinton berichten würde, konnten Barry Levinson und seine beiden guten Drehbuchautoren Jane Rosenthal und David Mamet (schrieb u.a. auch schon für Sidney Lumet) sicher nicht vorausahnen. Sie werden aber schon gewußt haben, warum der Präsident in ihrem Film nicht ein einziges Mal als Person auftaucht geschweige denn beim Namen genannt wird. Meistens wird in der dritten Person von "Ihm" geredet. Für einige Sekunden zeigt uns die Kamera den Präsidenten von schräg hinten. Levinson weiß daß die Zuschauer sich das passende Gesicht zu dieser Figur sehr gut selbst vorstellen können.
"Ich will ein Kätzchen, und keinen verdammten Hund " mosert der Hollywood Produzent Stanley Motss (Dustin Hoffman in überraschend guter Form, ich kann's kaum glauben nach dem Mad City -Desaster) während der Dreharbeiten zum "Albanien Take". Einen Krieg zu inszenieren ist nicht einfach. Das weiß auch Conrad, deshalb wendet er sich lieber an einen Profi. Stanley Motss hat schon mal die Oscar-Verleihung in Szene gesetzt. Er ist also der beste Mann für diese heikle Aufgabe. Und er wird eine fantastische Arbeit abliefern. Pech nur, daß ihm für sein größtes Werk jegliche Anerkennung versagt bleiben wird. "Ich mach'die ganze Arbeit, und die anderen kriegen immer die Oscars".
Die Dialoge haben es in sich. Hier wird intelligent und sehr genüßlich die "demokratischste aller Demokratien" auseinandergenommen. Oft genug schimmert da der berühmte Dr. Strangelove-Zynismus durch.
"Auf Albanien läßt es sich so schlecht reimen" meint Johnny Green (herrlich debil gespielt vom ollen Willie Nelson), der den Kriegssoundtrack komponieren soll. Denn wie jedes mediale Großereignis braucht auch die militärische Auseinandersetzung eine Melodie zum mitsummen. Was tut man nicht alles um dem Präsidenten den Arsch zu retten.
Der Krieg aus der Bluebox, warum nicht? Niemand kommt zu schaden, kein einziger Schuß fällt, und am Schluß gibt es sogar einen waschechten Kriegshelden (Woody Harrelson mit einem Kurzauftritt der sich gewaschen hat). Der kommt zwar nicht auf dem Schlachtfeld in Albanien zu Tode, sondern in einem amerikanischen Hinterwäldlernest, aber das macht ja nichts. Es muß ja niemand erfahren. Wir erzählen es einfach nicht weiter.

Mirko Puzic