Von Menschen und Göttern Allein gegen alle Die Geschichte eines abgelegenen Trappistenorden in Algerien Auf dem Tisch des Klostervorstehers liegt der Koran direkt neben den Ordensregeln. Schon seit Jahrzehnten leben die französischen Trappistenmönche im algerischen Tibhirine mit den muslimischen Dorfbewohnern in friedlicher Eintracht. Der Abt Christian (Lambert Wilson) wird genauso selbstverständlich zur Hochzeit der Tochter des Dorfältesten eingeladen, wie die Bewohner des Ortes die ärztliche Ambulanz des Klosters in Anspruch nehmen. Bis zu 150 Menschen werden in der Woche behandelt, auch wenn die Medikamente knapp sind. Die Regeln des Zisterzienserordens verbieten jegliche Bekehrungsaktivitäten. Die Klosterbrüder sind allein der Nächstenliebe, dem asketischen Lebensstil und ihrem durch Gebetsrituale strukturierten religiösen Alltag verpflichtet. Aber so abgelegen das Kloster "Notre-Dame de l'Atlas" auch in den Bergen liegt, vor den Umwälzungen, die im Algerien der neunziger Jahre vor sich gehen, ist man auch an diesem kontemplativen Ort nicht sicher. Die Gruppen der fundamentalistischen GIA streifen durch das Land, die Armee ist auch in Tibhirine mit Straßensperren und Hubschraubern präsent. Als nur wenige Kilometer entfernt sechzehn kroatische Bauarbeiter von den islamistischen Terroristen liquidiert werden, steht auch die Sicherheit des Klosters auf dem Spiel. Einen Schutz durch das Militär lehnt die pazifistische Glaubensgemeinschaft strikt ab. Dennoch sind die Brüder verängstigt und einige beginnen zu zweifeln, ob sie nicht das Kloster und das Land verlassen sollten. Als ausgerechnet an Weihnachten die Rebellen vor der Tür stehen und die Herausgabe aller Medikamente fordern, gelingt es Christian mit striktem, aber auch respektvollem Auftreten, eine Eskalation der Situation zu verhindern. Dass der nächtliche Besuch nur eine Vorwarnung war, ist allen Klosterbrüdern klar. Aber sie wissen auch, dass ihre Anwesenheit das Dorf bisher vor Übergriffen von Armee und Terroristen geschützt hat. In Von Menschen und Göttern setzt der französische Filmemacher Xavier Beauvois den fundamentalen Gewissenskonflikt der Geistlichen als hoch differenziertes Drama in Szene. Der Film interessiert sich ebenso aufrichtig für die ganz weltlichen Ängste der Mönche wie für deren spirituelle Lebenseinstellung. Ausführlich widmet sich der Film dem Klosteralltag und den täglichen Gebetsgesängen in der Kapelle, die sich gegen das Knattern der kreisenden Militärhubschrauber durchsetzen müssen. Dabei ist dem Film nicht an einem christlichen Märtyrergemälde gelegen. Der Abt, der sich den Rebellen mit all seiner religiösen Integrität entgegenstellt, wird mit dem gleichen Respekt behandelt wie der Pater, der sich im Keller vor den Eindringlingen versteckt. Die Geschichte beruht auf realen Ereignissen. Im März 1996 wurden sieben Mönche aus dem Kloster in Tibhirine entführt und zwei Monate später enthauptet am Straßenrand aufgefunden. Bis heute hat man nicht herausgefunden, ob islamische Terroristen oder die algerische Armee hinter der Tat steckt. Beauvois beteiligt sich nicht an den Spekulationen, sondern hält den Fokus auf das Leben und die Gewissenskonflikte der pazifistischen Glaubensbrüder und vermittelt auch dem allerweltlichsten Atheisten etwas von der Kraft und dem Mut, aber auch von den Zweifeln und Ängsten, mit denen die Mönche für ihre Vorstellung von Glauben und Toleranz einstanden. Martin Schwickert Des hommes et des dieux F 2010 R: Xavier Beauvois B: Etienne Comar, Xavier Beauvois K: Caroline Champetier D: Lambert Wilson,Michael Lonsdale, Olivier Rabourdin
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