VOLVER
Mit breitem Strich Pedro Almodovar findet mit »Volver« zu seinen ungewöhnlichen Frauenfilmen und dem komödiantischen Ton der frühen Jahre zurück
Durch die Hochebene von La Mancha weht ein heißer Ostwind ohne Unterlass. Auf dem Friedhof fegt er durch die Kittelschürzen und zerzausten Frisuren der Frauen, die die Gräber ihrer Männer, Mütter und Väter pflegen. Er treibt die Menschen von der Straße hinein in die schattigen Innenhöfe - oder direkt in den Wahnsinn. Statistisch gesehen gibt es in dieser Region, in der schon Don Quijote gegen Windmühlen kämpfte, mehr Verrückte als in jedem anderen Teil Spaniens. La Mancha ist der Ort der Kindheit von Pedro Almodóvar.
So wie Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs oder Alles über meine Mutter ist auch Volver ein Loblied auf die Freuden des Matriarchats. Der einzige Mann in der Geschichte trinkt Bier, schaut fern, versucht die eigene Tochter zu missbrauchen und findet nach den ersten Filmminuten in einer Tiefkühltruhe zur letzten Ruh. Frauen hingegen sind im Universum dieses Films nicht tot zu kriegen. Irene (Carmen Maura) kommt sogar aus dem Jenseits zurück, um ihre Familienangelegenheiten in Ordnung zu bringen. Sie versteckt sich einfach im Kofferraum und nistet sich bei ihrer Tochter ein.
Sole (Lola Dueñas) und ihre Schwester Raimunda (Penélope Cruz) haben nach dem Tod der Mutter in Madrid das Glück gesucht und nicht gefunden. Die verhuschte Sole lebt allein und betreibt in ihrer Küche einen Frisörsalon. Die energische Raimunda kann mit Putzjobs gerade so ihre Familie ernähren. Nachdem ihr nichtsnutziger Mann in oben genannter Tiefkühltruhe landet, muss sie das Leben für sich und ihre Tochter neu organisieren.
Aus dem leerstehenden Restaurant des Nachbars macht sie einen Catering-Service. Aber auch wenn die stolze Raimunda den Mühen des proletarischen Alltags tapfer die Stirn bietet, erkennt man in ihr immer wieder eine tief sitzende Verzweiflung.
Vor ein paar Jahren glaubte man Penélope Cruz an Hollywood, Tom Cruise und Scientology verloren. Jetzt erstrahlt sie als Wiedergängerin von Anna Magnani. War sie in Hollywood vornehmlich eine Glamour-Schönheit, setzt Almodóvar sie als kerniges Weib in Szene, in dem sich Lebensstärke und Zerbrechlichkeit ausdauernde Seelengefechte liefern. Stilvoll zerzauste Frisur, rote Lippen, funkelnde Augen, bunte Billigkleider mit spektakulären Dekolletees - jede Einstellung ist ein selbstironisches Liebesgeständnis der Kamera. Auch der Rest der Frauenriege (in Cannes kollektiv mit dem Preis für die beste weibliche Darstellerin ausgezeichnet) spielt phänomenal auf.
Das Schöne an Almodóvars Filmen war immer, dass er sich zur Inszenierung bekennt und nie so tut, als wolle er die Realität abbilden. Mit kraftvollen Pinselstrichen setzt auch diese Frauen-Power-Melotragikomödie in Szene, die mit ihrer Leinwandenergie sogar die Vorhersehbarkeit der psychologische Auflösung der Geschichte vergessen lässt.
Martin Schwickert
Spanien 2006 R&B: Pedro Almodóvar K: José Luis Alcaine D: Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Dueñas, Blanca Portillo
Das Interview zum Film
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