Viva la Libertà Der sanfte Irre Ein italienischer Politiker hat keine Lust mehr und flieht ins befreundete Ausland Italien scheint auf Führungskräfte enorm zermürbend zu wirken. Vor zwei Jahren ließ Nanni Moretti in Habemus Papam den frisch gewählten Pontifex in Rom untertauchen, jetzt flüchtet Toni Servillo als erfolgloser Oppositionspolitiker nach Paris, in die Arme einer Ex-Geliebten, um sich von seinen Depressionen zu befreien. Roberto Andò hat seine leise Politsatire Viva la Libertà sehr behutsam den italienischen Verhältnissen angepasst, wo die linke Opposition seit Jahren darunter leidet, von hasenherzigen Bürokraten von einer Niederlage zur nächsten geführt zu werden. Toni Servillo ist so ein Bürokrat: Als Enrico Oliveri hat er seine Partei bis nahe an den Abgrund geführt, diverse Intrigen laufen bereits, um den flüchtigen Parteichef abzusetzen. Weil er die Abwesenheit seines Chefs nicht öffentlich machen will, erinnert Oliveris Assistent sich daran, dass sein Boss einen Zwillingsbruder hat. Der heisst Giovanni Ermani, ist Professor, frisch aus dem Irrenhaus entlassen und ein fröhlicher Neurotiker, der sich diebisch freut, als Doppelgänger seiner Bruders Schwung in die Politik zu bringen. Statt mühsame Statistiken aufzusagen, befeuert er seine Partei mit einer bei Brecht abgekupferten Rede, appelliert an die Leidenschaft des Einzelnen und bringt in kürzester Zeit seine Partei in den Umfragen damit ganz nach vorne. Der Parteichef verdingt sich derweil als Bühnenarbeiter in einer Filmproduktion in Paris und findet ein wenig zum Leben zurück. Neben dem diskreten Inszenierungsstil und den hervorragenden Darstellern macht Viva la Libert vor allem deshalb Spaß, weil er seine Geschichte vage im Sand verlaufen lässt. Niemals hören wir auch nur eine einzige politische Aussage, hier geht es nur um Allgemeinplätze und Macht. Der sanfte Irre verkündet Banalstes mit der Verve einer Daniel-Düsentrieb-Erfindung ("Es liegt an dir!") und beeindruckt einen müde gewordenen Politik- und Pressebetrieb, der sich längst in der Langeweile eingerichtet hat und bei den einfachsten Wahrheiten Gefahr läuft, vor Aufregung zu hyperventilieren. Die Geschichte, die die beiden zerstrittenen Brüder verbindet, gibt dem Film mehr Story als er eigentlich braucht. Viel schöner ist, dass wir am Ende die Brüder nicht mehr auseinanderhalten können. Und dass Irre in der Politik reüssieren, ist in Italien sowieso eine realistische Annahme. Thomas Friedrich I 2013 R & B: Roberto Andò K: Maurizio Calvesi D: Toni Servillo, Valerio Manstandrea, Valeria Bruno Tedeschi; 94 Min.
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