»VICTORY«

Vaterkomplex

Mark Peploes Verfilmung von Joseph Conrads Spät-Roman ist gut für verregnete Sonntagnachmittage.

Vom Leben gezeichnet und von den Menschen enttäuscht lebt der Held Axel Heyst auf einer kleinen Insel im malayischen Archipel: nur er, die Natur und sein treuer Diener Wang. Und, auf der anderen Seite des Gestades, Wangs Leute, irgendwelche Eingeborenen. Neben eher unerfreulichen eigenen Erlebnissen wie zum Beispiel einer Pleite nebst betrügerischem Kompagnon bekam Axel sein negatives Weltbild vom Papa, der lehrte, daß man besser niemandem trauen und niemanden lieben solle. Und jetzt ist Papa Heyst gestorben, womit die Geschichte beginnt. Axel muß nämlich in den nahegelegen Hafen Surabaya reisen, um den Nachlaß abzuholen. Er steigt im Hotel Kolonial ab - Victory spielt 1913 - und trifft dort die bezaubernde Alma, die als Teil eines als Damenorchester getarnten Wanderbordells zum Besitz des tückischen Ricardo gehört. Der Mobil-Zuhälter steht gerade in Verhandlungen mit Hotelier Schomberg, der sich unsterblich in Alma verliebt hat und sie zu erwerben gedenkt, obwohl er mit der schweigsamen Mrs. Schomberg verheiratet ist. Daraus wird aber nichts, weil Alma sofort Zutrauen zu Axel faßt und ihn bittet, sie zu befreien. Sie würde mit auf die Insel kommen und dort alles für ihn tun. Alles! Axel ist nicht interessiert, zunächst, aber er hat ein gutes Herz und läßt sich schließlich doch breitschlagen. Ohne Hintergedanken übrigens. Die Flucht gelingt, und Schomberg und Ricardo gucken in die Röhre. Erstmal jedenfalls, denn dann taucht der wirklich finstere Mr. Jones auf, ein schwuler Spieler, der gerne mal ein Pfeifchen Opium durchzieht und von einer wirklich erlesenen Verkommenheit ist. Mr. Jones reist in Begleitung zweier Herren - einer schön, der andere stark - und derart zu dritt wollen sie eigentlich Schombergers Hotel übernehmen und in eine Spielhölle verwandeln. Erst als ihnen Schomberg von Riesenreichtümern auf Axels Insel erzählt, die nur darauf warten, geklaut zu werden, lassen Jones & Co vom Hotel ab. Natürlich gibt's auf der Insel außer der beeindruckenden Naturkulisse keine Reichtümer, aber mit dem Eintreffen von Mr. Jones und seinen Freunden nimmt das Verhängnis seinen Lauf - vor allem, weil sich Axel in Alma (und vice versa) verliebt hat und nun plötzlich tatsächlich etwas zu verlieren hat. Und Alma hat ihre eigene Taktik, die Finsterlinge loszuwerden, wovon sie Axel nichts erzählt. Was zu heftigsten Mißverständnissen führt. Am Ende jedenfalls brennt der gesamte Heystsche Besitz, Alma ist in den Flammen und Axel vielleicht auch, und angesichts der wirklich großartigen Bilder und der traurigen Geschichte sollten alle Zuschauer in Tränen ausbrechen. Was sie nicht tun, und das ist das Hauptproblem von Mark Peploes Victory . Der Film ist zwar sehr schön fotografiert und erlesen ausgestattet und mit den besten Schauspielern besetzt: Willem Dafoe als Axel Heyst, ein echter Schmerzensmann, aber gut. Daneben Irene Jacob, o.k., vielleicht ein bißchen blaß, aber für eine Frau in einer Männerabenteuergeschichte doch noch recht griffig konturiert. Und schließlich Sam Neill als finsterer Mr. Jones: von erhabener Verderbtheit. Aber der Funke springt nicht über, der Erzählfluß ist träge und altmodisch, und die Spannung setzt viel zu spät und da viel zu verhalten ein. Victory sieht aus, als habe da jemand absichtlich altmodisches Abenteuerkino mit Tiefgang zu machen versucht, große Kinobilder und eine große Kinogeschichte, und irgendwann ist ihm das Feuer, die Begeisterung dafür abhanden gekommen.

Georg Steller