DAS VERSPRECHEN

Die Seele des Jägers

Sean Penn schickt Jack Nicholson auf Mördersuche

Guter Stoff bleibt guter Stoff. Friedrich Dürrenmatts Das Versprechen lieferte bereits 1958 die Vorlage für Ladislao Vajdas Krimiklassiker Es geschah am hellichten Tag . Ein unvergesslicher Gert Fröbe warnte damals als pädophiles Schreckgespenst die Kinder über mehrere Fersehgenerationen hinweg vor dem netten Onkel mit der Schokolade. Seitdem wurde der Stoff fast in jedem Jahrzehnt neu bearbeitet, und nun liefert Sean Penn die Millenniumsversion von Dürrenmatts Requiem auf den Kriminalroman.

Jack Nicholson spielt den gealtereten Kommissar Jerry Black, der von seinen Kollegen freundlich aber bestimmt in die Pensionierung abgeschoben wird. In den letzten Dienststunden begleitet er seinen Nachfolger (Aaron Eckhart) zum Tatort eines blutigen Sexualmordes und ehe er es sich versieht, hat er der Mutter des Opfers bei seinem Seelenheil versprochen, den Mörder des Mädchens zu finden. Ein Hauptverdächtiger ist schnell gefunden, der in einem manipulativen Verhör ein Geständnis ablegt und sich danach das Leben nimmt. Der Fall wird abgeschlossen, aber Jerry glaubt nicht an die Schuld des Geständigen. Der Pensionär ermittelt auf eigene Faust weiter und stößt auf ähnliche Mordfälle in der näheren Umgebung. Schließlich pachtet Jerry eine Tankstelle, an der sich die Wege zwischen den Tatorten kreuzen, und legt sich dort auf die Lauer. In der örtlichen Kneipe freundet er sich mit der Kellnerin Lori (Robin Wright Penn) an, die mit ihrer achtjährigen Tochter Chrissy bei ihm einzieht. Die Drei wachsen zu einer ungleichen Familie zusammen und Jerry beginnt, das Mädchen als Köder für den Mörder zu benutzten ...

Hervorragend ist es Sean Penn gelungen der mehrfach ausgeschlachteten Romanvorlage neue Perspektiven abzugewinnen. Nicht die dunkle Psyche des Täters ist Gegenstand der filmischen Auseinandersetzung, sondern die Seele des Jägers. Der Mörder ist hier nicht Schreckgespenst, sondern zunächst Hirngespinst eines Polizisten, der gegen den verordneten Ruhestand ankämpft. Jack Nicholson legt seine Figur großartig zwischen obsessivem Verfolger und tattrigem Großväterchen an. Mit meditativer Ruhe und lauernder Spannung zeichnet Penn ein detailgenaues Psychogramm des Jägers, ohne den Krimiplot aufzugeben. Grandiose Aufnahmen der verkarsteten Berg- und Seenlandschaften spiegeln die seelischen Verwitterungen des gealterten Helden. Zwischen den Bildern liegt auch im hellsten Tageslicht ein düsterer Schleier, der atmosphärisch an die Dimension des Verbrechens erinnert. Ein hochkonzentrierter Thriller, der ohne Schockelemente seine Spannung bis zur letzten Minute halten kann.

Martin Schwickert

The Pledge USA 2001 R: Sean Penn B: Jerzy Kromolowsky & Marie Olson-Kromolowsky K: Chris Menges D: Jack Nicholson, Robin Wright Penn, Aaron Eckhart