VERSCHWENDE DEINE JUGEND

Rebellion mit Girokonto

Der Sommer der Neuen Deutschen Welle

Jede Generation hat ihre große Zeit, auch wenn sie nur ganz kurz ist. Die Neue Deutsche Welle z.B. dauerte - popkulturell eingeklemmt zwischen Friedensbewegung und Punk - eigentlich kaum länger als ein Jahr. Im Sommer 1981 schwappte sie durch die Bundesrepublik, beherrschten die Songs von Fehlfarben , Palais Schaumburg und Ideal den Äther. Deutsche Texte, musikalischer Minimalismus und ideologische Abstinenz standen auf dem Programm als Abgrenzung gegenüber Alt-68er-Eltern und Müsligeschwistern.
1981 ist Harry (Tom Schilling) 19 und Sparkassenlehrling im NDW-feindlichen München. In seiner Bankerkluft sieht er aus wie aus dem Konfirmationsunterricht entlaufen. Nur ein kleiner Sticker auf dem Jackett mit der Aufschrift DAF kündet von Harrys zweiter Existenz. DAF - das ist mehr als jene längst vergessene Kleinwagenmarke mit Automatikgetriebe, in Klang und Aussehen dem ostdeutsche Trabbi nicht unähnlich. DAF steht für "Deutsch Amerikanische Freundschaft", eine der wichtigsten Gruppen der Neuen Deutschen Welle. DAF steht auch schon bald auf vielen gelben Plakaten quer über die Münchner City verteilt. Nur dass die Musiker selbst nichts vom angekündigten Konzert im Circus Krone wissen. Schuld hat Harry. Der träumt nämlich von einem anderen Leben als Musikmanager. Apollo Schwabing heißt die dreiköpfige Band, die er ganz groß rausbringen will.
Mit Nichts bereuen hat Benjamin Quabeck vor zwei Jahren ein kleines, feines Regiedebüt vorgelegt. Auch sein zweiter Film trägt einen lebensbejahenden Imperativ im Titel: Verschwende Deine Jugend heißt die Aufforderung in einer Zeit, die sich vom Selbstaufopferungswahn der Polit- und Friedensbewegung befreien will. Quabeck ist einer der jüngsten Regisseure des deutschen Kinos. Als die Neue Deutsche Welle durch das Land rollte, war er fünf Jahre alt. Vielleicht bewahrt die historische Distanz den Film vor zuviel Nostalgie und musikhistorischer Penibilität.
Verschwende Deine Jugend ist weniger am Lifestyle der 80er interessiert, sondern an einem eher zeitlosen jugendlichen Lebensgefühl: dem Drang gegen das erstarrte Establishment etwas in Bewegung bringen zu wollen. Dass solche Rebellionen oft etwas hilflos und komisch wirken, führt Harry in seiner Banker-Outfit unterhaltsam vor Augen. Tom Schilling ist mit seinen etwas linkischen Gestenvokabular und knochentrockenem Pointenmanagement ideal besetzt, während Robert Stadlober ein wenig zu selbstverliebt in die Rolle des Frontman von Apollo Schwabing steigt. Zweifellos gehören die beiden Crazy -Darsteller zu den vielversprechendsten, neuen Gesichtern des deutschen Kinos. Aber man wünscht sich, dass Schilling und Stadlober demnächst einmal gegen ihr Image besetzt werden. Denn durch mutlose Casting-Entscheidungen wurden im deutschen Film schon genug Talente einseitig verschlissen.

Martin Schwickert

D 2003 R: Benjamin Quabeck B: Kathrin Richter, Ralf Hertwig K: David Schultz D: Tom Schilling, Robert Stadlober, Jessica Schwarz