VENGO

Tanz und Tod

Tony Gatlif feiert die Flamenco-Mentalität

Vengo kommuniziert in der Sprache, die jeder versteht: Musik. Tony Gatlif führt uns nach Andalusien, läßt uns mit einer Beerdigungsgesellschaft am Tisch sitzen, unter Menschen mit bronzefarbener Haut und dunklen Haaren, und er läßt sich Zeit, die Kamera ruht auf Gesichtern, studiert sie. Er spart sich Worte, und als die ersten gesprochen werden, da ist es einfaches, klares Spanisch, das Spanisch der Liebeslieder. Vom Ungenuß dieses Films in deutscher Synchronisation ist abzuraten. Synchronisation bedeutet hier Bruch zwischen Sprache und Musik. Das Leben von Tony Gatlifs Andalusiern ist ein übergangsloses Ineinanderfließen von Leben, Trinken, Schlafen, Träumen, Tanzen und Musik. Und Tod. Kein Alkohol, und sei es auch ein Meer von Wein, kann den Schmerz über den Verlust der Tochter ertränken. Mit keinem Weiß der Welt lassen sich die blutroten Lettern an der Wand des Familienanwesens übertünchen, die verkünden: Blut ist geflossen, und die südländische Mentalität verlangt Vendetta.
Das Blut ist der rote Faden, der die 90 Minuten zusammenhält. Es verbietet sich fast, bei der Familienfehden-Geschichte an Scorsese oder Coppola zu denken, denn keiner von ihren glatt gebügelten Mafiosi würde sich mit dem Handy mitten auf die Straße stellen und sämtliche Autos anhalten, um den besten Empfang zu finden. Ist ja auch nicht New York; auf dem Land, wo die Esel staubige Pfade entlangtrappeln, wirkt dagegen der schwarze Mercedes ziemlich deplaziert und verrät die Gangster lange vor jedem anderen Indiz. Der Vorwurf des Manierismus, wie er Gatlif angesichts Gadjo Dilo manchmal gemacht wurde, greift bei Vengo nicht. Hier wird eine Bildästhetik kultiviert, die eigenwillig und selbstgenügsam ist, ganz wie die Musik, die diesen Film trägt: Flamenco.

Manuela Brunner

F/E 2000. R,B,M: Tony Gatlif. K: Thierry Pouget. M: Tomatito, Sheikh Ahmad Al Tuni, La Calta D: Antonio Canales, Orestes Villasan Rodriguez, Antonio Perez Dechent