VÄTER

Nicht ohne meinen Sohn

Scheidungskrieg ums Sorgerecht

Eigentlich fing es 1997 an, als Matthias Matussek in seiner Reportage den Finger auf die Wunde legte und zeigte, dass hierzulande die Sorgerechtsregelungen für Väter im Trennungsfall miserabel sind. Das nachfolgende Buch Die vaterlose Gesellschaft mit dem Untertitel Überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf wurde zum Manifest der Scheidungsväter und zur Abrechnung mit dem "feministischen Meinungskartell" (Matussek). Aus dem Thema entwickelten Matussek und der Produzent Günther Rohrbach das Drehbuch für einen Film, der bewusst politisch unkorrekt die Perspektive der Väter einnehmen sollte. Aber es fand sich kein Regisseur, der das Skript in dieser Form verfilmen wollte. Schließlich überreichte man den Stoff der britischen Drehbuchautorin Rona Munro ( Ladybird, Ladybird / Aimée und Jaguar ) und gewann den Berliner Regisseur Dani Levy ( Stille Nacht / Meschugge ) für das umstrittene Projekt.
Solch ausgedehnte Kämpfe um Filmthemen enden im deutschen Kino meistens in elender Kompromissware. Aber obwohl Väter auf antifeministische Polemiken verzichtet, ist aus dem Scheidungsdrama kein politisch-korrektes Krippenspiel geworden.
Melanie (Maria Schrader) und Marco (Sebastian Blomberg) sind ein Ehepaar, dessen Familienleben oft im Alltagschaos versinkt. Melanie arbeitet halbtags als Lehrerin und kümmert sich danach um den sechsjährigen Sohn Benny (Ezra Valentin Lenz). Marco steht mit einem ersten großen Bauprojekt kurz vor dem Karrieredurchbruch als Architekt. Ein 100%-Job, wie sein Chef immer wieder betont.
Marco ist kein schlechter Vater, aber einer, der zu wenig Zeit hat. Einer, der schon mal die Medikamente für sein Kind vergisst und dann noch schnell zur Nachtapotheke rennen muss. Man sieht, dass Marco und Melanie sich lieben. Aber man sieht auch, dass ihre Liebe Falten bekommen hat, zu vieles zu selbstverständlich geworden ist und die klassische Arbeitsverteilung an der Beziehung nagt.
Irgendwann hat Melanie genug. Der Streit mit Marco endet mit einem halbtrunkenen Schlag in Melanies Gesicht. Sie haut ab, nimmt den Jungen unter Polizeischutz mit und reicht die Scheidung ein. Es folgen Anwaltsschreiben und vergebliche Versöhnungsversuche. Marco darf seinen Sohn einmal im Monat für zwei Stunden sehen, verbittert zunehmend an der Situation und entführt schließlich in einem Akt der Verzweiflung das Kind für einen gemeinsamen Urlaub.
Vordergründig kommt Väter als späte deutsche Replik von Kramer gegen Kramer daher. Aber obwohl der Film emotional durchaus in die Vollen geht, überzeugt er letztendlich durch die analytische Schärfe, mit der Levy den Zerfallsprozess einer Beziehung beschreibt, in dem das Kind zum Spielball der Kontrahenten wird. Natürlich ist Väter ungerecht, weil er die Dinge vornehmlich aus der Männerperspektive betrachtet. Trotz dieser Einseitigkeit weigert sich Levy Schuldfragen gültig zu beantworten. Die Stärke von Väter besteht in der genauen Beobachtung der Eigendynamik, die Scheidungsprozesse in Gang setzen - wenn Beziehungen zur juristischen Ware werden und sich die gegnerischen Parteien zu zerfleischen beginnen.

Martin Schwickert

D 2002 R: Dani Levy B: Rona Munro, Dani Levy K: Karsten Thiele D: Sebastian Blomberg, Maria Schrader, Ezra Valentin Lenz