DAS URTEIL
Absolut übersichtlich
Der nächste Routine-Thriller nach eine Grisham-RomanWäre Schriftstellern der Börsengang erlaubt - die John-Grisham-AG wäre ein sicherer Tipp für risikoscheue Anleger. Mit Titeln wie Der Klient, Die Akte oder Die Kammer stürmen seine Romane regelmäßig die Bestsellerlisten, auch in Hollywood gilt Grisham als sichere Bank. Über 700 Millionen Dollar haben die acht Romanverfilmungen eingespielt.
Wo so viel Geld im Spiel ist, gehen auch die Studios kein Risiko ein. Regieroutiniers wie Sydney Pollack, Alan J. Pakula, Joel Schumacher oder Francis Ford Coppola sorgten für einen reibungslosen Transfer der Bestseller auf die Leinwand. Als Publikumsmagneten wurden Stars wie Julia Roberts, Tom Cruise, Sandra Bullock und Matt Damon unter Vertrag genommen.
Auch Gary Fleders Adaption von Das Urteil fühlt sich diesem Sicherheitskodex verpflichtet. Straff und schnörkellos erzählt er die Gerichtsstory herunter, lässt mit Dustin Hoffman und Gene Hackman zwei Veteranen gegeneinander antreten und frischt das Ensemble mit John Cusack und Rachel Weisz für die jüngere Zuschauergeneration auf.
Wie so oft bei Grisham geht es auch hier um die Korrumpierbarkeit der Justiz. In New Orleans steht ein Waffenkonzern vor Gericht und soll wegen seiner fahrlässigen Vertriebspolitik für die Todesschüsse eines Amokläufers zur Rechenschaft gezogen werden. Ein Präzedenzfall, durch den die amerikanische Waffengesetzgebung unter Druck geraten könnte und die Industrie weitere millionenschwere Schadensersatzklagen befürchten muss.
Dieser Hintergrund dient jedoch nur als Vehikel für ein formelhaftes Gerichtsdrama, in dessen Fokus die Geschworenenriege gerückt wird. Die Finstermänner der Waffenindustrie haben den skrupellosen Juryberater Rankin Fitch (Gene Hackman) engagiert, der mit riesigem Mitarbeiterstab und Hi-Tech-Fuhrpark die Geschworenen bespitzelt, erpresst und manipuliert. Dagegen scheint der altmodische Anwalt Wendall Rohr (Dustin Hoffman) mit all seiner moralischen Integrität nicht anzukommen.
Zwischen die Rivalen stellt sich jedoch unerwartet noch eine dritte Kraft. Nick (John Cusack) ist es gelungen, sich als Geschworener in die Jury einzuschleichen. Gemeinsam mit seiner Freundin Marlee (Rachel Weisz) versucht er, das Urteil der Geschworenen zu manipulieren und meistbietend an eine der beiden Parteien zu verkaufen.
Zweifellos ist Das Urteil ein hochwertig verarbeiteter Justiz-Thriller. Routiniert wechselt Gary Fleder zwischen ehrwürdigem Gerichtssaal und korrupter Außenwelt, fädelt zur rechten Zeit die vorgeschriebenen Plotwendungen ein und holt jeden einzelnen Schauspieler vor der Haustür ab.
Wie oft hat man Gene Hackman schon als skrupellosen Machtmenschen gesehen, und dass ein Schwiegermutterliebling wie John Cusack am Ende doch nicht so böse ist, wie man einen halben Film lang glauben sollte - auch das ist nicht wirklich eine Überraschung. Verschenkt wird im Thriller-Getümmel nicht nur die politische, sondern auch die psychologische Dimension der Story. Die subtile Manipulation, der die Geschworenen ausgesetzt sind, wird nur schematisch dargestellt. Das Urteil unterhält allein durch die bezwingende Mechanik des Grisham-Plots, dessen oberflächliche Sogwirkung Fleder handwerklich korrekt, jedoch ohne originelle Eigenbeiträge in Szene setzt.
Martin Schwickert
The Runaway Jury. USA 2003. R: Gary Fleder B: Brian Koppelman, David Levien, Rick Cleveland, Matthew Chapman nach dem Roman von John Grisham K: Robert Elswit D: John Cusack, Gene Hackman, Dustin Hoffman, Rachel Weisz
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