DIE UNGLAUBLICHEN

Schlappe Helden
Nach Findet Nemo erklärt uns Pixar die Welt der Superhelden

Die Pixar-Studios haben den Animationsfilm nachhaltig revolutioniert. Während das Science Fiction- und Actionkino die Computertechnologie nur dazu nutzte, um immer neue Superlativen zu formulieren, zeigten Toy Story und Findet Nemo, dass das Kino im Pixelland der unbegrenzten Möglichkeiten angekommen ist. Die Beherrschung der Technik und das freie Fluten der Fantasie - die Kombination wurde zum Erfolgsrezept für das dreidimensionale Animationskino von Pixar, das den Zeichentrick-Giganten Disney vom Thron fegte. Auch 3D-Konkurrenten wie Shrek kamen an die Erfolge von Findet Nemo nicht heran. Denn die phantastischen Welten der Clown- und Palettendoktorfische ruhten in ihrem eigenen kreativen Selbst, während sich das grüne Dekonstruktions-Ungeheuer Shrek den Fundus altbekannter Märchenmythen plünderte.
Um so enttäuschender ist es, dass die neue Pixar-Produktion Die Unglaublichen auf einen fahrenden Zug springt. Batman, Spiderman, X-Men, Daredevil, Catwoman - auf der Leinwand drängelten sich in den letzten Jahren die digital aufgeblasenen Superhelden. Eine Genre-Persiflage war da längst überfällig. Die Unglaublichen beginnt in den 50ern, wo die Welt der amerikanischen Superhelden noch in bester Ordnung war. Mr. Incredible und seine Lebensgefährtin Elastigirl retten munter vor sich hin, bis ein Selbstmörder seinen Wohltäter verklagt und auch die Überlebenden eines Zugunglücks Schmerzensgeldforderungen in Millionenhöhe stellen. Alle Superhelden gehen in den Untergrund und werden mit einem speziellen Resozialisierungsprogramm zu Normalbürgern umgeschult. Mr. Incredible landet am Schreibtisch einer Versicherung und langweilt sich fast zu Tode. Wunderbar trostlos quillt der erschlaffte Superheldenkörper über den Bürostuhl und zwängt sich nach Feierabend in einen Kleinwagen, der dem guten, alten Trabant verdammt ähnlich sieht.
Nach außen sind die Parrs eine ganz normale Vorstadtfamilie. Den Kindern ist es strengstens verboten, ihre übernatürlichen Fähigkeiten zum Einsatz bringen. Fällt einfach auf, wenn einer beim Schulsport in Lichtgeschwindigkeit davon saust. Als ein zwielichtiger Auftraggeber Mr.Incredible wieder als Superheld anheuert, lebt der unterforderte Weltenretter wieder auf - und bringt damit seine eigene Familie in Gefahr.
Als Genrepersiflage und breit angelegter Familienfilm begibt sich Brad Birds Die Unglaublichen auf einen schwierigen Schlingerkurs. In der ersten Hälfte gelingt es, mit großer Liebe zum Detail und intelligentem Humor sowohl das Comic-Heldentum zu karikieren als auch die Ansprüche des Familienfilms gegen den Strich zu bürsten. Aber sobald es dann ans Weltenretten geht, sind die dramaturgischen Genrevorgaben stärker als der Wille zur Dekonstruktion. Natürlich residiert der Bösewicht in einem unterirdischen Imperium, natürlich erfolgt die Rettung in letzter Minute, und selbstverständlich werden die Bande der unkonventionellen Familie durch den kollektiven Einsatz gestärkt. Das alles ist unterhaltsam, frech und originell in Szene gesetzt, aber verglichen mit den vorherigen Pixar-Produktionen fehlt den Unglaublichen der eigenständige, kreative Atem. Der Film entführt sein Publikum nicht in eine vollkommen neue Welt, sondern jongliert mit bekannten Versatzstücken, bricht und reorganisiert sie zu einem ironischen Genrepatchwork.

Martin Schwickert
The Incredibles USA 2004 R&B: Brad Bird K: Janet Lucroy, Patrick Lin, Andrew Jimenez, deutsche Synchronstimmen: Markus Maria Profitlich, Kai Pflaume, Felicitas Woll