ÜBER WASSER

Nasse Füße

Ein Dokumentarfilm über Zuviel, Zuwenig, Zuteuer und alles am falschen Ort

Ein Wellblechdach wandert durch Bangladesh. Kleine Asiaten tragen den wackeligen Regenschutz mühsam über das verschlammte Land, auf der Suche nach einem trockenen Flecken. Bis zur nächsten Überschwemmung.

Eine ganze Fischfangflotte liegt rostend in der Wüste in Kasachstan. Ein alter Kapitän schaut zum Horizont. Da hinten, 100 Kilometer weit weg, soll es noch Reste vom Aral-See geben.

Ein gelber Kanister läuft voll Wasser, dann noch einer, und minutenlang quält sich ein Kanisterschlepper durch den wuseligen Slum von Nairobi, um am Ende in seinem Hütten-Café damit Tee zu kochen.

Drei Wasser-Geschichten von den Rändern der Zivilisation erzählt der Österreicher Udo Maurer in seinem ganz unaufgeregten und ein bisschen langweiligen Dokumentarfilm Über Wasser .

Nur knappe Schrift-Inserts erklären jeweils, wo wir sind. Kein Kommentar klagt die globale Wasser-Misswirtschaft an. Man muss schon selber merken, dass hier etwas grundsätzlich nicht stimmt.

In Bangladesh ruinieren der Monsun-Regen und die ständig steigende Flut das Land. Manchmal bricht sogar ein Stück Ufer weg, während eine Frau erzählt, dass die Männer zur Regenzeit nur Herumsitzen und den Frauen die Arbeit überlassen. Und eine Art Bollywood-Musical zeigt einen Reisbauern, der das Wasser singend begrüßt und verflucht.

In Aralsk, der ehemaligen Hafenstadt in der neuen Steppe, fahren die Fischer stundenlang mit dem Bus zum See, weil sie nichts anderes gelernt haben. Und ein Filmvorführer guckt sich alte Sowjet-Propaganda an, die erst den Reichtum des großen Aral-Sees feiert, und dann den "Sieg der Kanalarbeiter", die für Bewässerungsprojekte weiter östlich die Zuflüsse umleiteten.

In Nairobi organisieren Wasserhändler die Verteilung des Lebensmittels ganz urkapitalistisch. Wer kein Geld hat, kriegt nichts zu Trinken. Wer aber Wasser hat, pladdert damit herum, als ob es kein Morgen gäbe. Wo hier das Wasser eigentlich her kommt, warum manche Hähne manchmal trocken bleiben und wieso keiner an Kanalisation, Aufbereitung oder wenigstens Aufbegehren denkt, kommt nicht vor.

Udo Maurer setzt auf scheinbar direkte Beobachtung ohne politische Argumente. Zwar sind seine "dokumentarischen" Bilder deutlich inszeniert, aber er lässt jeden Feature-Tonfall weg.

Er lässt seine namenlosen Menschen unter zu viel Wasser hier, zu wenig Wasser da und zu teurem Wasser dort leiden - und den Zuschauer am Ende mit der Frage allein: "Ja was denn nun?"

Wer nicht nur guckt, sondern auch auf die Musik hört, bemerkt im meist ethnisch korrekten Soundtrack von Serge Tonnar zuweilen ironische, westliche Farben.

Über Wasser wirkt im Kino wohl etwas trocken und ohne Ende, aber am Morgen nach diesem Film steht man mit einem etwas angefeuchteten Bewusstsein unter der Dusche. Die Ränder der Welt haben mit uns zu tun.

Wing

Ö/LUX 2007 R & B: Udo Maurer K: Attila Boa, Udo Maurer