»DIE ÜBERLEBENDEN« Vor den Vätern...
Klassentreffen - drei fehlen, entschuldigt wg. Selbstmord Einer war Mediziner von Beruf (und Musiker aus Leidenschaft), einer schmiß die Schule und wurde Autoschlosser, einer studierte Jura und wurde dann doch Lehrer - und alle drei haben sich umgebracht. Weil alle drei seine Klassenkameraden waren, hat der schwäbische Dokumentarfilmer Andres Veiel einen Film über sie 1996 abgeschlossen. Die Überlebenden hat (in Stuttgart) inzwischen die Weihen einer "anschließenden Diskussion mit Horst Eberhardt Richter" durchlaufen... Bevor man annehmen könnte, daß Die Überlebenden einen durch die übliche Betroffenheitsmühle drehen, entwickelt der Film seine Haken und Kanten. Es ist kein TV-Feature über arme Opfer, eher ein Spielfilm über die Wirklichkeit: Wie aus fröhlichen jungen Männern verzweifelte, mickrige Söhne werden, die - auch - an ihren Vätern sterben. Und daß dies nicht nur die Schuld der Väter ist. Auch wenn Veiel seinen Film-Titel zuförderst provokant politisch sehen will (er klingt ja ein bißchen nach Krieg), ist er viel besser. Sein Film handelt nämlich nicht nur von den drei Toten, sondern eben von den vielen Überlebenden, die sich mit dem, was zurückblieb, herumschlagen müssen. So sind die Eltern in Veiels Beobachtungen nicht gerade Sympathieträger - aber auch nicht die Bösen. Viel enervierender als etwa der kleine, traurige Gemüsehändler, der den Tod seines Sohnes Rudi betrauert (der Lehrer werden wollte) ist der gutwillige Ex-Klassenkamerad, der offensichtlich Pfaffe geworden ist und alles erklären kann. Der Versuch allerdings, dem Tod auf die Spur zu kommen, indem ein politischer Unterton untergeschoben wird, ist Veiels eine Schwäche; Scheitern am Leben ist kein Exklusivrecht des Jahrgangs 59. Die Bedingungen, die er da entwirft, sind viel beliebiger, als ihm klar zu sein scheint. Zweitens hat der Film, der mit stimmungsvollen, manchmal etwas kunstwilligen Bildern seine Geschichte sehr spannend und sinnlich erzählt, zwei Geschmacks-Ausrutscher zu verzeichnen. Wenn Veiel zweimal mit subjektiver Kamera die Todes-Situation seiner Kameraden nachstellt. Da kommt dann doch das üble Gefühl ein bißchen hoch, daß da einer auf dem toten Buckel der Schwächeren die eigene Brillanz ins Licht rücken will. Das durchaus kraftvolle Verweigern der Betroffenheit kann dazu führen, daß man als zynisches Arschloch erscheint. Die Überlebenden beeindruckt als etwas, was der Film nicht sein will: Eine inszenierte Erklärung. Weil für die Überlebenden ein Selbstmord niemals so glatt aufgeht, wie Veiels Film das nahelegt. Im Kino geht das in Ordnung. Im wirklichen Leben nicht.
-thf-
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