TROUBLED WATER Über die Brücke Eine Fuge über Schuld, Vergebung und das Wasser dazwischen Der norwegische Regisseur Erik Poppe liebt es, die Köpfe seiner Hauptpersonen so dicht vor die Kamera zu stellen, dass sie sich in Unschärfen auflösen. Ja fast scheinen sie mit dem Betrachter zu verschmelzen, der nur noch kleine Stückchen Welt dahinter erkennen kann. Und keinen Sinn. Außerdem liebt er das fragmentarische Erzählen. Zweimal zeigt er uns in etwa die selbe Geschichte, in Bruchstücken und aus zwei völlig gegensätzlichen Blickrichtungen. Rückblenden deuten dann noch eine dritte Geschichte an, und ein paar formale Spielereien legen eine Art musikalische Struktur in die Story. Die handelt von einer Kirchenorgel und einem Kindsmord. Vor acht Jahren hat der Teenager Jan einen Kinderwagen entführt. Das Kind darin kam irgendwie zu Tode, Jan kam ins Gefängnis und lernte in der Haftkapelle Orgeln. Nun wird er entlassen und fängt als Aushilfs-Kantor in einer großen Kirche an. Damit man sieht, dass er unter seiner Vergangenheit leidet, haben ihn seine Mithäftlinge zum Abschied noch einmal böse in den Kartoffeltopf getunkt und ihm ein paar Finger gebrochen. Damit man sieht, dass er für ein neues Leben kämpft, zerschlägt er seinen Gips vor der Kirche und absolviert das Vorspielen unter Schmerzen. "Oh Haupt voll Blut und Wunden" dröhnt die Orgel und Jan, der sich nun Thomas nennt, improvisiert über das alte Thema sehr moderne Klanggewitter. Später verguckt er sich in die reizende alleinerziehende Pastorin, schreckt vor ihrem Jungen zurück und wiederholt seine Tat sozusagen umgekehrt. Eines Tages nämlich lässt er das Kind kurz unbeaufsichtigt und es verschwindet. Nun begleiten wir die Mutter des damals verschwunden Jungen. Nur kurz lässt sie den Kinderwagen allein, noch jahrelang leidet sie daran, dass ihr Sohn verschwand. Eines Tages aber erkennt sie in dem Orgelspieler den Täter von damals. Der spielt gerade Simon & Garfunkels "Bridge over troubled Water", und während alle ergriffen sind, wächst in der Mutter die Verzweiflung. Vielstimmig legen sich die Geschichten übereinander. Viele Episoden sehen wir aus zwei Winkeln, andere spiegeln sich ineinander, wieder andere arbeiten ähnliche Bildmotive ab. Immer wieder zum Beispiel geht es um Wasser. Um den Fluss, in dem das Kind vielleicht ertrank, vielleicht ertränkt wurde. Um den Kartoffeltopf im Knast. Das Taufbecken in der Kirche. Eine Badeanstalt. Und am Ende wieder um den Fluss, wenn alle Linien zu einer Art Auflösung zusammenführen. Auf dem Weg dahin wird viel geredet und geschwiegen. Es gibt theologische Debatten um Schuld und Vergebung. Es gibt Ehekrach, weil das tote Kind dem Leben im Weg steht. Und es gibt zuweilen knappe Antworten. "Sie beschäftigen einen Kindsmörder?" wird ein Kirchenmann gefragt. Der sagt nur "Wer denn sonst?" Wing De Usynglige N,D,S 2008. R: Erik Poppe B: Harald Rosenlöw-Eeg K: Ingeborg Klyve D: Pål Sverre Valheim Hagen, Trine Dyrholm, Ellen Dorrit Petersen
|