DAS TRIBUNAL

Schuldig bei Verdacht

Bruce Willis hält Gericht

Das Feld der Ehre ist weit und es gibt viele Möglichkeiten, es zu bestellen. Gregory Hoblit wählt im Gegensatz zu manch anderem Militärfilm einen zurückhaltenden Ansatz. In unwirtlichen, ausgewaschenen Grautönen fängt er die deutsche Winterlandschaft am Ende des Zweiten Weltkrieges ein. Während der großen Ardennenoffensive geraten viele Amerikaner in die Kriegsgefangenschaft der Nazis. Unter ihnen ist auch ein Offizier, der ein hartes Folterverhör hinter sich gebracht hat. Ob er darin zum Verräter wurde, erfährt der Zuschauer zunächst nicht. Als sich im Gefangenenlager ein Mordfall unter den Amerikanern ereignet, wird sofort der einzige schwarze Offizier verdächtigt, weil er bei der Leiche gesehen wurde und der Rassismus auf allen Seiten zum guten Ton gehört. Schnell improvisiert man ein Militärgerichtsverfahren unter dem Vorsitz des ranghöchsten Amerikaners, in dem der neu angekommene amerikanische Offizier die Verteidigung übernehmen soll. Ein Duell der Interessen entwickelt sich.
Mit den Gesten des Justizfilms inszeniert Hoblit ein Verfahren, das doch nur die wahre Handlung verdecken soll. Im Hintergrund wird ein ganz anderer Plan geschmiedet. Deshalb läßt der ranghöchste Amerikaner (Bruce Willis mit einer minimalistisch- verkniffenen Mimik) den Schwarzen wissentlich zu Unrecht anklagen. Wenn am Ende des Films in typischer Manier ein pathetischer Monolog über die Ehre folgt, dann ist das eine Erfüllung der Konvention, ohne welche die Amerikaner nun mal nicht Leben können. Das Tribunal hatte aber zuvor viel ambivalenter den Konflikt zwischen soldatischem Tun und der sie begleitenden schmutzigen Handlungsweise aufgezeigt. So erweist sich der spannende Film als wesentlich facettenreicher, als es dem Zuschauer glauben gemacht werden soll.

Stefan Dabrock

USA 2002. R: Gregory Hoblit. B: Billy Ray, Terry George. K: Alar Kivilo. D: Bruce Willis, Colin Farrell, Terrence Howard