TRAUMLAND Unheiliger Abend Ein Anti-Weihnachtsfilm zwischen Strich und bürgerlicher Fassade Dies ist deutlich keine Doku, zu traumverloren fliegt schon im ersten Bild ein lichterloh brennender Weihnachtsbaum aus einem hochgelegenen Fenster in Zürich, schwebt zu besinnlichen Klängen vorbei an Fenstern voller elektrischer Sterne. Der Heilige Abend wird ungemütlich, sagt der Wetterbericht. Nach jahrelanger Recherche, sagt Regisseurin Petra Volpe über ihren ersten Spielfilm, fand sie in der Straßenprostitution eine realistische Perspektive auf die bürgerliche Welt. Alle suchen nach Liebe, jeder leidet an Einsamkeit, und während Mia, die 18jährige Stricherin über die Schicksalswege einiger Bürger und an das Ende ihres eigenen irrlichtert, entfaltet sich ein todtrauriges Panorama vergeblicher Suche nach ein bisschen Liebe und Wärme. Da ist die patente Streetworkerin vom Nutten-Café, die nach der Arbeit mit einer Hotelaffäre ihre Ehe gefährdet. Da ist die schwangere Bessergestellte, die im Familienauto Gleitcreme findet und plötzlich wissen will, was Frauen da mit ihrem Mann und allen Männern so machen. Da ist die einsame Wohlanständige, die sich zum Weihnachtsessen in Strapse wagt und einen alten Freund verführen will. Oder der Geschiedene, der Mia einlädt, um noch einmal Familie zu simulieren. Alle scheitern auf verschiedene Weisen, alle begegnen Mia und verstehen sie nicht, und alle verspielen unsere Sympathien, mal aus Enttäuschung, mal aus Überforderung. Petra Volpert hängt die einzelnen Episoden mit hörbarem Drehbuchknirschen an- und ineinander, aber mit traumwandlerischer Sicherheit halten die Bilder von Kamerafrau Judith Kaufmann die Konstruktion in der Schwebe. Sogar papierne Aufklärungssentenzen ("Prostituierte sind das Opfer auf dem Altar der Monogamie") verwandeln sie in eine perverse Gemütlichkeit. Und ein prügelnder Zuhälter sieht plötzlich auch nicht böser aus, als die selbstgerechte Nachbarin, die Mias Wäsche ("An Heiligabend tut man sowas nicht") aus der Waschküche in den Müll schmeißt. Petra Volpert kennt das Milieu. Sie wohnte lange im inzwischen aufgelösten und an den Stadtrand verlegten Rotlichtviertel Zürichs, sie arbeitete als Studentin bei einer Sex-Hotline. Und sie verweigert sich jeder Eindeutigkeit und jedem Voyeurismus. So wird ihr Debüt zwar nicht rund, aber angenehm eckig. Wing D/CH/B 2013. R + B: Petra Biondina Volpe K: Jan Dellaert, Judith Kaufmann D: Luna Zimic Mijovic, André Jung, Bettina Stucky, Marisa Paredes . 99 Min.
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