MORTAL TRANSFER

Du bist tot!

Ein Analytiker hat eine Leiche auf der Couch

Das Weibliche ist mysteriös, unnahbar und irgendwie auch hinterhältig; das wusste schon Sigmund Freud, dessen Angst vor Frauen, einen Grundstock der Psychoanalyse bildet. Jean-Jacques Beineix nimmt diesen klassischen Ansatz der Seelendoktoren und übersetzt ihn in eine reale Geschichte.
Lasziv erotisch lümmelt sich das Fleisch gewordene Symbol des Weiblichen in Form einer attraktiven Frau mit Strümpfen, kurzem Rock sowie hochhackigen Schuhen auf der Couch eines Psychoanalytikers. Sie erzählt vom Sex mit ihrem Mann, der sie ständig dabei schlägt, weil sie das anmacht. Den Arzt langweilen solche Geschichten zwar, so dass er während der Sitzungen öfters einschläft, aber dennoch kann er sich der Faszination nicht entziehen. Als er nach einem erneuten Nickerchen wieder aufwacht, ist sein Verhältnis zur Patientin nachhaltig gestört: Sie ist tot. Wenn er sich nur genau an alles erinnern könnte, würde er zu Polizei gehen, aber so bleibt ihm nicht anderes übrig, als die Leiche unseriös zu bestatten. Offene Friedhöfe mit Platz in den Gräbern gibt es in Paris schließlich genug. So macht sich der Psychoanalytiker daran, sein Problem zu verdrängen anstatt es zu lösen.
Die Frau wird auf das mystisch-erotische reduziert zum unglaubwürdigen Zerrbild des Weiblichen, der Psychoanalytiker zum unbändig Getriebenen, der sich ständigen Begegnungen mit symbolischen Gestalten wie einem Blinden oder dem allwissenden Penner ausgesetzt sieht. Gehetzt von einem Problem, das eigentlich nicht existiert, muss er aus dem surrealen Alptraum zu entkommen. Die Psychoanalyse ist tot, sagt Mortal Transfer auf überwältigende Weise.

Stefan Dabrock

F 2000. R&B: Jean-Jacques Beineix. K: Benoit Delhomme. D: Jean-Hugues Anglade, Helene de Fougerolles, Miki Manojlovic