»TRAINSPOTTING« Brodeln im Löffel
Es sieht ja so geil aus, wenn H köchelt Der neue Kult-Film also. Zumindest in England, vielleicht bald auch hier. Da ist zuerst einmal das Buch gleichen Titels, das auf der Insel mindestens für genauso viel Wirbel gesorgt hat wie Wir Kinder vom Bahnhof Zoo bei uns damals. Aber während Christiane F. Aufklärungsarbeit zu leisten hatte und uns immer wieder die Hoffnungslosigkeit eines Junkie-Jammerlappen-Daseins vor Augen führte, haben die Protagonisten in Trainspotting einfach nur Spaß. Was, wie man sich ja denken kann, blitzschnell zu dem Vorwurf führt, Drogen insbesondere Heroin zu verherrlichen. Hier kommt der Film Trainspotting ins Spiel, der diesen Vorwurf sozusagen visualisiert. Worum geht es? Eigentlich nur um ein paar junge Leute, die mit ihrer Zeit nichts anderes anzufangen wissen, als sich auf jegliche nur erdenkliche Weise vollzudröhnen. Und die Mutter aller Dröhnungen ist nun mal nach wie vor das große H. "Nimm den besten Orgasmus, den Du je hattest, multiplizier ihn mit 1000 und Du bist noch nicht einmal nahe dran," erzählt die Hauptfigur Renton gleich zu Beginn des Films und weckt damit natürlich eine Menge Erwartungen. Tausendmal besser? Wow! Daß von dieser Ausage bis zu der Stelle, in der Rentons Kopf buchstäblich in der Scheiße steckt, maximal fünf Minuten vergehen, macht klar, daß es gar nicht so einfach ist, Heroin zu verherrlichen. An den Tatsachen kommt eben niemand vorbei, weder der Regisseur von Trainspotting Danny Boyle, noch Irvine Welsh, der die Romanvorlage geschrieben hat. Andererseits war beiden sicherlich nicht daran gelegen, ein aufklärerisches Doku-Drama zu fabrizieren. Und so werden einige heikle Aspekte der Drogensucht mit dem typischen Insel-Humor abgearbeitet, die einem das Lachen fast schon aufzwingen, weil zwischen der unaufhaltsamen Hoffnungslosigkeit des Themas und der damit verbundenen Leere der Bilder nicht viel mehr übrig bleibt als unfreiwillige Komik. Da hilft es auch nicht, daß Boyle versucht, das erbärmliche Ritual des Heroinschießens zum ästhetischen Prinzip umzufunktionieren. Großaufnahme: Im Löffel köchelndes Brown Sugar, Flüßigkeit, die sich in der Pumpe mit Blut vermischt, eine Nadel, die in die Vene sticht, und im Hintergrund singt Iggy Pop Lust for Life . Kommt schon Leute, das könnt ihr nicht glauben, oder? Gibt es wirklich noch jemanden da draußen, der von der ganzen Scheiße nichts weiß? Wer schon mal Freunde und Bekannte an das Heroin verloren hat, wird mit diesem Mist herzlich wenig anfangen können. Aber auch das wissen Boyle und Welsh. Die Moral hat in einem Film über Menschen auf Heroin vielleicht wirklich nichts verloren, in dem Punkt kann ich den Machern dieses Films zustimmen. Aber einer etwaigen Wertung dessen, was sie uns zeigen und erzählen, verweigern sie sich schon fast zwanghaft. So als wollten sie sich darum drücken, eine wirkliche Meinung zu dem Thema zu haben. Da verkommt, auf der Suche nach einem hippen Thema, so ziemlich jedes Bild zum puren Selbstzweck. Stattdessen wird modernes Loosertum zur Popkultur ernannt. Aber immerhin, die Verantwortung für ihr Handeln wird diesmal den Protagonisten selbst in die Schuhe geschoben und nicht den Eltern oder der Gesellschaft oder sonst wem. Das ist gut so. Alles andere hätte noch weniger funktioniert. Was bleibt ist ein schneller Film mit guten, unbekannten Gesichtern und teilweise so noch nie gesehenen Bildern, dessen Thema mich aber kalt läßt, und der nicht einen einzigen Aspekt findet, der an der ganzen Sache wirklich neu ist. So what?
Mirko Puzic
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