TOY STORY 2


Nochmal mit Gefühl

Echte Toys weinen nicht. Aber unser Rezensent tut's

John Lasseter wird alt - jedenfalls erinnert er sich zunehmend gerne. Und mit fast hörbarem Seufzen: "das waren noch Zeiten". Noch vor dem Hauptfilm heute zum Beispiel an Luxor Jr., die hüpfende Schreibtischlampe, mit der Lasseter die vollcomputerisierte Animation erfand (1986). Die Trickfirma Pixar machte sie zum Markenzeichen - und mindestes einmal in jedem Toy Story-Film rennt einer gegen sie.
Nach dem Hauptfilm - man bleibt bei Lasseter immer sitzen bis der Ordner kommt - erinnert sich in den schon zur Tradition gewordenen Bloopers eine blaue Ameise an Das große Krabbeln: "Schön das wir jetzt Krabbel 2 drehen". Dann zoomt das Bild zurück, das Insekt schrumpft, Buzz Lightyear haut einen Grashalm aus dem Weg: "hier geht's lang".
Überhaupt Buzz. Der etwas tumbe aber immer treue Star Ship Trooper tritt uns zuerst, gleich im Vorspann des Hauptfilms, als seine eigene Computer-Spielfigur entgegen - und begegnet selbst später in einem Spielwarenladen seinem technisch verbesserten Nachfolgemodell. Während Woody, der schaksige Jung-Sheriff, erfährt, dass er in den 50ern eine Karriere als Müsli-Werbe-Cowboy-Marionette hatte.
Auch die meisten anderen - Personen, Puppen und Plotpunkte - haben Memorier-Effekte. Da kommt Geri aus Pixars Oscar-prämiertem Schachspiel-Clip vorbei, da hagelt es Action-Lookalikes von Stirb langsam bis Star Wars, da grübelt Jessie, patentes Cowgirl aus Woodys TV-Familie, darüber nach, wie schön es war, als sie noch ein eigenes Kind hatte, das mit ihr spielt ...
Eigentlich ist es eine todtraurige Welt. Das Spielzeug kommt auf den Flohmarkt, wenn die Kinder zu alt werden; und Erwachsene interessiert an Puppen nur der Sammlerwert. In die Zwickmühle gerät Woody, zwischen der drohenden Gerümpelkiste für Ausrangierte und der lockenden Vitrine gilt es sich zu entscheiden. Zwischen dem eigenen oberflächlichen Wohlergehen und dem zeitlich vorübergehenden Wohlergehen der eigenen Kinder.
"Ich kann nicht verhindern, dass Andy älter wird", sagt Woody schließlich weise über sein Spielkind, und er klingt dabei wie ein Soap-Vater in der moralischen Peripetie, "aber ich möchte keine Sekunde davon verpassen". Schluchz.
Auch von Toy Story 2 möchte man keine Sekunde verpassen und alle noch öfter wiedersehen. So nonchalant croont der Quietsch-Pinguin über den Titel-Song von Toy Story 1 - schon wieder diese Erinnerungen. So rasant entfaltet sich die verwickelte Story von Entführung, Rettung, Verwechslung und Heimkehr. So witzig gehen die Helden aus Plastik mit ihren angeklebten Charakteren um.
Nach 95 Minuten ist der Film leider zu Ende. Eine Hymne auf den Status Quo im Seelen-Kinder-Zimmer des westlichen, längst erwachsenen, Durchschnittsjungen. Aber ihre Unschuld haben die Toys verloren. "Ich bin zu alt für diesen Quatsch" sagt Buzz, als sein frisch ausgepackter Klon selbstvergessen mit Laserbeam und Solar-Command rummacht. Die Toys wissen, dass sie Toys sind, aber richtige Toys weinen nicht. Sie tun einfach, was ein Toy tun muss. Glücklich machen.

WING