The Tourist Müder Betriebsausflug Ein dünner Thriller mit zwei Schauwerten: Angelina Jolie und Johnny Depp Nach einem solch kometenhaften Aufstieg ist die Fallhöhe enorm. Mit seinem Abschlussfilm an der Münchner HFF, dem Stasi-Drama Das Leben der Anderen, lockte Florian Henckel von Donnersmarck nicht nur 1,7 Millionen Zuschauer in die deutschen Kinos, sondern gewann auch noch gleich den Auslands-Oscar. In Hollywood wurde der deutsche Nachwuchsregisseur mit Angeboten überhäuft und als bekannt wurde, dass in seinem US-Debüt mit Angelina Jolie und Johnny Depp zwei der größten lebenden Filmstars die Hauptrollen übernahmen, schien es, als sei der Spross einer schlesischen Adelsfamilie ganz oben im Olymp der amerikanischen Filmindustrie angekommen. Aber mit The Tourist geht Donnersmarck den Weg, den bisher fast alle deutschen Regieneulinge in Hollywood gegangen sind. Wolfgang Petersen, Roland Emmerich, Robert Schwentke - sie alle mussten sich erst einmal in einer Genreproduktion bewähren. Donnersmarck tut dies anders als seine Vorgänger nicht in einem Action-Film, sondern mit einem romantischen Spionagethriller. The Tourist ist ein Remake des mäßig erfolgreichen französischen Thrillers Fluchtpunkt Nizza, in dem Sophie Marceau und Yvan Attal 2005 die Hauptrollen übernommen hatten. Donnersmarck hat die Handlung nun nach Venedig verlegt, auf dessen Wasserstraßen die Rasanz der Actioneinlagen zwangsläufig gedrosselt wird und der Focus auf den romantischen Part gelegt werden kann. In visueller Hinsicht bietet "The Tourist" kompromissloses Starkino. Die Kamera klebt förmlich an Angelina Jolie, wie sie in formvollendeter Eleganz und äußerst unbequemen Schuhwerk zum Pariser Gare de Lyon gleitet, um den Zug nach Venedig zu nehmen. Dabei wird sie von einem ganzen Heer von Agenten überwacht. Denn schließlich ist Elise Ward die letzte heiße Spur, die zu dem untergetauchten Großkriminellen Alexander Pearce führt, der dem britischen Staat einige Millionen an Steuern schuldet und einem Mafiaboss den Großteil seiner illegalen Einkünfte entwendet hat. Um die Verfolger abzulenken, so die Weisung des Flüchtigen, der sich beim Schönheitschirurgen ein neues Gesicht hat machen lassen, soll Elise im Zug irgendeinen Unbekannten ins Gespräch verwickeln - Auftritt Johnny Depp als schusseliger Mathelehrer Frank Tupelo, der von den plötzlichen Avancen der schönen Reisebegleiterin vollkommen überfordert ist. Mit einem Kuss am offenen Hotelfenster vor dem Canale Grande ist Franks Schicksal besiegelt. Fortan ist der harmlose Amerikaner nicht nur der Verfolgung von britischem Geheimdienst und russischen Mafiagehilfen, sondern auch seinen Gefühlen für die geheimnisvolle Schöne wehrlos ausgesetzt. Venedig erstrahlt in fast schon absurdem romantischen Glanz, wir staunen über luxuriöse Hotelsuiten, riesige Ballsäle, Bootsfahrten auf nebligen Kanälen und natürlich über Angelina Jolie in prachtvoll wechselnder, aber stets eng anliegender Garderobe, während Johnny Depp im Pyjama über die Dächer von Venedig hoppeln muss. Das alles ist nicht ohne Ironie in Szene gesetzt, aber doch letztendlich ein wenig dick aufgetragen. Dem gegenüber steht die eher dünne Geschichte, die mit ihren Oberflächenreizen blendet, aber weder durch die Charaktere noch narrative Spannkraft überzeugen kann. Unübersehbar verneigt sich der Film vor Klassikern wie Hitchcocks Der unsichtbare Dritte oder Über den Dächern von Nizza, ohne jedoch selbst zu einer stimmigen Originalität zu finden. Martin Schwickert USA 2010 R: Florian Henckel von Donnersmarck B: Florian Henckel von Donnersmarck, Christopher McQuarrie, Julian Fellowes K: John Seale D: Angelina Jolie, Johnny Depp, Paul Bettany
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