UNTER DER SONNE DER TOSKANA

Sehnsucht nach Süden
Diane Lane wird repariert

Auch in den USA gibt es eine Toskana-Fraktion, die vom einfachen Leben unter italienischer Sonne, von gutem Essen und ungestraftem Nikotingenuss träumt. Aus der transatlantischen Distanz betrachtet ist Italien ein Hort der Ursprünglichkeit, auf dessen geschichtsträchtigen Boden alle Fesseln der Modernisierung abgeworfen werden und gestresste Großstadtmenschen wieder zu sich selbst finden können. Nach einer ungeheuer schmerzhaften Scheidung ist Frances (Diane Lane) reif für die Toskana-Therapie. Eine Freundin schiebt ihr das Flugticket über den Tisch, und wenig später tuckert die kriselnde Schriftstellerin mit einer schwulen Reisegruppe durch die sanften Hügel Norditaliens. Einer plötzlichen Eingebung folgend, erwirbt sie eine alte, baufällige Villa und mit der Rekonstruktion des Hauses beginnt auch der langsame Wiederaufbau der angeschlagenen Psyche. Im Nu ist die stille Amerikanerin umringt von einer illustren Schar von Einheimischen: ein graumelierter Immobilienmakler mit braunen Augen und weitem Herzen, ein Großmütterchen mit Internet-Erfahrung, eine ehemalige Filmdiva, die große Hüte trägt und mit Fellini-Zitaten um sich wirft, sowie eine Gruppe kauziger, polnischer Schwarzarbeiter, die die Renovierung des Hauses in Angriff nimmt. Maurer, Makler und Nachbarn werden für Frances schnell zu einer großen Ersatzfamilie, die sich in ihrem Garten um Essenstische versammelt, die aussehen wie die Serviervorschläge in italienischen Kochbüchern. Nachdem das gebrochene Herz durch südländische Gastfreundschaft gründlich vorgewärmt wurde, läuft Frances auf den Straßen von Rom direkt in die Arme eines glutäugigen Ragazzos, der - beischlafwillig wie italienische Männer nun einmal sind - gefühlvoll an der sexuellen Wiedererweckung arbeitet.
Solch einem Film Klischeelastigkeit vorzuwerfen, ist als wollte man sich über den Fettgehalt einer Speckschwarte beschweren. In keiner Kinominute will Regisseurin Audrey Wells etwas anderes als eine heile Welt zu kreieren, in der die Hauptfigur ihren vorhersehbaren Genesungsprozess durchläuft. Der ganze Film ist in wohligen Terracotta-Farben und güldenem Kunstlicht ausgekleidet. Die Blätter der Olivenbäume korrespondieren mit Diane Lanes sonnengebräunten Teint. Unter der Sonne der Toskana ist ein Feel-Better-Movie, das nichts dem Zufall überlässt und seine lässige Carpe-Diem-Botschaft mit aggressivem Perfektionismus vorträgt.

Martin Schwickert
Under the Tuscan Sun. USA 2003. R&B: Audrey Wells nach einem Roman von Frances Mayes K: Geoffrey Simpson D: Diane Lane, Sandra Oh, Lindsay Duncan