TÖDLICHE ENTSCHEIDUNG Blick aufs Mehr Sidney Lumets boshafter und düsterer Alters-Thriller über Mord, Gier und Geschmack Hank Hanson schuldet seiner Ex-Frau mehrere Monate Unterhalt und hat eine kostspielige nervige blonde Tochter, die für die nächste Klassenfahrt zum "König der Löwen" unbedingt 120 Dollar braucht. Am Ende wird Hank dermaßen pleite sein, dass er erschöpft im Sofa seiner Ex hängt und sie anpumpt. "Ich fass es nicht", sagt sie, "du schuldest mir bereits 2000 Dollar und pumpst mich an?" - "Nun ja, ich bin in echten Schwierigkeiten", sagt Hank. Hanks Schwierigkeiten entstanden, weil sein großer Bruder Andy eine Idee hatte. Andy Hanson ist Personalchef einer größeren Firma und besitzt eine scheußlich eingerichtete teure Wohnung und eine scheußlich auf Geld abgerichtete Frau. Um das Leben zu verkraften, verläßt Andy jeden Donnerstag die Firma, um sich in teurer und gepflegter Umgebung einen Schuss zu setzen. Sowas kostet. Beide brauchen also dringend Geld. Der labile und leicht zu manipulierende Hank (großartig: Ethan Hawke) will sein Leben wieder in den Griff kriegen, der manipulative und gefährlich ruhige Andy (großartig: Philip Seymour Hoffman) will noch einmal von vorne anfangen. Vor allem jetzt, da in seiner Firma eine Steuerprüfung ansteht, bei der zweifellos Andys kleine Unterschlagungen ans Licht kommen werden, mit denen er Drogen und Ehefrau finanzierte. Dass seine Frau (großartig: Marisa Tomei) sich jeden Donnerstag heimlich von seinem Bruder vögeln lässt, weiß Andy übrigens nicht. Andy und Hank beschließen, ein Juwelengeschäft zu überfallen. Eines, in dem sie sich auskennen, in dem beide bereits gearbeitet haben: Das Juwelengschäft ihrer Eltern. Dass dieser Überfall mörderisch schiefgeht, steht bereits nach gut 10 Filmminuten fest. Kelly Mastersons (Debut-)Drehbuch folgend, zeigt uns Sidney Lumet in ruhigen Einstellungen den langsamen Untergang einer Familie, in der sich alles um Geld und Erfolg drehte. Tödliche Entscheidung erzählt keine wirklich neue Geschichte. Aber in seiner verschachtelten, eliptischen Erzählweise, mit seinen kontemplativen Bildern und einem Blick auf die Dinge schafft der Film eine wunderbar düstere Atmosphäre, mit komischen und tragischen Momenten. Hier stehen die Dinge und die Gier nach ihnen den Menschen augenfällig im Weg. Die Einstellung auf den düsteren riesigen Glasblock, in dem Andys Büro untergebracht ist, lässt einen ebenso schaudern wie der Blick auf Hanks verkommene Single-Bude. Die Helden, scheint's, wollen alle Geld, aber sie können die Welt damit nicht schöner machen; nicht mal sich selbst. Lumets ausgefuchste Erzählweise, die ständig vor und zurück springt, und ein mutiges Drehbuch, in dem vieles nur angedeutet wird und das doch alles auf den Punkt bringt, schaffen eine Atmosphäre, in der Hoffman, Hawke, Finney und (sogar!) Marisa Tomei hervorragend aufspielen und trotz aller Einzelleistungen vor allem ein Ensemble, ein Tonfall und eine Atmosphäre in Erinnerung bleiben. Das ist dem inzwischen 83-jährigen Lumet bisher in keinem seiner Filme gelungen. Thomas Friedrich Before The Devil Knows You're Dead. R: Sidney Lumet. B: Kelly Masterson. K: Ron Fortunato. D: Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke, Marisa Tomei, Albert Finney.
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