AUS DER TIEFE DES RAUMES

Nummer 10 lebt!
Die Wahrheit über Günter Netzer

Wir befinden uns mitten in den Sechzigern in einem rheinischen Dorf. "Tipp Kick", der Hobbysport für Sesselfurzer, ist alles für den schüchternen Mittzwanziger Hans Günter (Arndt Schwering-Sohnrey). Seine Tipp-Figur, die Nummer 10, hütet er wie einen Schatz, schließlich will er mit ihr die deutschen Tischfussball-Meisterschaften gewinnen.
Bei der Qualifikationsrunde lernt er die hübsche Fotografin Marion kennen, mit der er noch am selben Abend im Bett landet. Seine Nr. 10 lagert derweil auf dem Handtuchhalter über Marions Badewanne. Durch eine Verkettung von Zufällen plumps die Figur in die Wanne, in der verschiedene Fotochemikalien schwimmen. Am nächsten Morgen staunt Hans Günter, der sein Tipp-Kick-Männchen zuerst für verloren glaubte, nicht schlecht - Nr.10 ist zum Leben erweckt und passt keineswegs mehr auf einen Fussballtisch, sie überragt ihren Vati sogar noch um einiges.
Die Perücke, die Hans Günter seiner Nr. 10 (inzwischen liebevoll "Günter" genannt) bald darauf zur Tarnung aufsetzt, lässt jeden Zweifel im Keim ersticken - hier entsteht eine der größten Fußballlegenden der Siebziger...
Kleinstadtmief gepaart mit 60er-Jahre-Tapete, schlimmen Klamotten und Fußball, Fußball, Fußball bilden den Hintergrund dieser ebenso komischen wie manchmal enervierend langsam voranschreitenden Groteske. Neben der drolligen Idee, Günter Netzer, der erste Popstar des deutschen Fußballs, sei ein Ex-Tipp-Kick-Männchen, verfolgt der Film sehr ernsthaft und ruhig eine letztlich tragische Liebesgeschichte: Hans Günter und seine kecke Fotografin werden einfach kein Paar, weil immer irgendwie der Fußball und vor allem Günter Netzer dazwischen kommen (dass der im Trainingslager einen Blässling namens "Berti" kennenlernt, ist ein schöner Gag am Rande).
Regisseur und Drehbuchautor Gil Mehmert hat seinen Film gut besetzt, gut erzählt und sehr ambitioniert bebildert. Und wie in jeder bewegenden Komödie gibt's einen lang anhaltenden traurigen Unterton: Die ganze Geschichte über Günter Netzer und wie er wurde, was er war, wird in einer Rahmenhandlung von einem sterbenden alten Mann erzählt, von dem man annehmen muß, dass er jener Hans Günter ist, der nie seine wahre Liebe fand.

Michaela Sommer
D 2004. R+B: Gil Mehmert. K: Bella Haben. D: Arndt Schwering-Sohnrey, Eckhard Preuß, Mira Bartuschek, Christoph Maria Herbst