THIS IS LOVE Im Sumpf der Empathie Verständnis für Pädophile? - Matthias Glasner traut sich was Der Filmemacher Matthias Glasner sitzt gern auf unbequemen Stühlen. In Der freie Wille porträtierte er einen Vergewaltiger, der sich nach jahrelanger Haft versucht, in die gesellschaftliche Normalität wiedereinzugliedern. Glasner zeigte den Triebtäter nicht als Monster, sondern als Menschen, blickte in dessen Seelenstruktur. Der freie Wille war ein harter, gnadenloser Film, der sich, seinen Protagonisten und das Publikum nicht schonte. This is Love ist sanft und voller aufrichtiger Empathie, fast zärtlich wirken die Bilder, obwohl der Film ein sehr viel stärkeres Tabu berührt. Die Kriminalkommissarin Maggie (Corinna Harfouch) wurde vor sechzehn Jahren ohne Erklärung von ihrem Mann verlassen. Lange haben sie und ihre Tochter Nina (Valerie Koch) nach ihm gesucht, bis Maggie nach Jahren herausfand, dass die mittlerweile erwachsene Tochter sich heimlich mit ihrem Vater trifft. Damals hat Maggie die erste Flasche Cognac auf einmal geleert. Als sie wieder einmal verkatert zum Dienst antritt, wird ihr Chris (Jens Albinus) vorgeführt, der mit seinem Freund Holger (Jürgen Vogel) Mädchen aus Bordellen in Vietnam freikauft, um sie in Europa an adoptionswillige Paare zu verkaufen. Auch Jenjira (Lisa Nquyen) hat er auf diesem Wege nach Deutschland gebracht. Das neunjährige Mädchen ist verschwunden und Chris weigert sich, den Aufenthaltsort preiszugeben. In wechselnden Rückblenden reist der Film aus dem Verhörzimmer in die Vergangenheit beider Figuren. Als Chris keine Adoptiveltern für Jenjira findet, gerät er ins Visier der vietnamesischen Mafia, die ihre Forderungen will. Chris wird zum väterlichen Beschützer für das Mädchen und zunehmend mit seinen eigenen pädophilen Neigungen konfrontiert. Glasner zeigt diesen Chris nicht als besinnungslosen sexuellen Triebtäter, sondern als Mann, der sich gegen seinen Willen in Kinder verliebt und dagegen ankämpft. Wie schon in Der freie Wille scheut Glasner nicht vor einer radikalen Innensicht auf seine Täterfigur zurück. Diese Perspektive provoziert bei einem Thema, das wie kein anderes durch breite gesellschaftliche Ablehnung extrem tabuisiert wird. Mit wachsendem Unwohlsein folgt man der Geschichte, die den Pädophilen als einen in sich selbst eingesperrten und auf Lebenszeit unglücklich liebenden Menschen zeichnet. Über weite Strecken ist dieses Unwohlsein ein durchaus produktiver Vorgang, weil er das Publikum mit sanfter filmemacherischer Gewalt in eine Auseinandersetzung hinein zwingt, die normalerweise durch die Empörungsreflexe blockiert wird. Hauptmanko ist, dass die Figur des Mädchens, das in Vietnam in die Kinderprostitution hineingezwungen wurde und sich in der Fremde erstaunlich selbstbewusst bewegt, zu wenig Raum eingeräumt wird. Die Innensichten, mit denen sich der Film der alkoholkranken Ermittlerin und dem an sich selbst verzweifelnden Pädophilen widmet, fehlen bei der Figur des Mädchens vollkommen. Dabei wäre es gerade diese Perspektive gewesen, die dem Film die notwendige Widersprüchlichkeit und einen analytischeren Blickwinkel gegeben hätte, den man hier im Sumpf der Empathie oft schmerzlich vermisst. Martin Schwickert D 2009 R&B: Matthias Glasner K: Sonja Rom D: Corinna Harfouch, Jens Albinus, Lisa Nguyen
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