THE WOLF OF WALL STREET

Gier ist geil

Leonardo DiCaprio schluckt Drogen und Dollars bis er bricht


Das Interview zum Film

Wenn einer dir verspricht, dich reich zu machen, glaub ihm nicht! Wenn einer, der als Börsenmakler unanständig reich geworden ist, nun verspricht, dir sein wahres Leben zu erzählen, glaub ihm auch nicht! Erst recht nicht, wenn er korrigierend in den Film nach seiner Autobiografie eingreift und aus dem roten Ferrari im Bild flugs ein weißer wird. Später wiederholt Martin Scorsese noch einige Mal den Trick, subjektive Schilderung und scheinbare Wirklichkeit aufeinander prallen zu lassen, mit teilweise großartigen Ergebnissen.

Am Anfang prallt erstmal der junge Börsenhändler Jordan Belfort auf die Wirklichkeit der Wall Street. Die seriösen Händler in Schlips und Kragen führen mehr Schimpfwörter als Finanzbegriffe im Munde, nehmen Kokain zum Frühstück und betrügen ihre Kunden. Jordan staunt, wenn ihn Matthew McConaughey in einem kurzen Auftritt in die Dschungelsitten einführt. Niemand weiß, wie sich die Börse entwickelt, es kommt nur darauf an, Provisionen für Aktiengeschäfte zu kassieren. Und drei mal am Tag zu masturbieren, um den Druck abzubauen.

Ein Börsencrash tut es auch, wie der Schwarze Montag 1987, der Jordan arbeitslos macht und ihn durch Zufall an den Topf voll Gold am anderen Ende des Geldgeschäfts bringt. Er entdeckt die Penny-Stocks, Billig-Aktien, die fast nichts kosten, aber gigantische Provisionen ausschütten und fast keiner Börsenaufsicht unterliegen. Mit örtlichen Verkaufsprofis, die sich mit Altmetall, Sperrmüll und Gras über Wasser halten, macht er aus einer Klitsche eine Geldmaschine, verkauft seinen permanenten Raubzug als uramerikanischen Traum vom Firmenbesitz in Volkes Hand, und etabliert einen Lebensstil voller Sex, Drogen und Schwarzgeld.

Vorübergehende Rückschläge, wie etwa eine FBI-Ermittlung, führen nur zu komischen Passagen, in denen sich Jordan als verfolgter Robin Hood aufspielt, der armen Beamten in schlecht sitzenden Anzügen einmal zeigt, wie geschickt die neue Mafia mit dem Telefon statt der Pistole schießt und was man mit einem Schweizer Bankkonto alles machen kann.

Trotzdem gibt es eine große Krise und den Knackpunkt des ganzen Films. Weil Martin Scorsese seine Geschichte vom eher spielerischen als skrupellosen Jäger nach dem nächsten Kick sehr aus der Heldensicht erzählt, lernt Jordan auch kaum etwas. Und bringt am Abgrund stehend sogar den Zuschauer noch einmal hinter sich, wenn er in der wackelnden Firma eine pathetische Rede hält, nach der ihm jeder in die Hölle folgen würde. Das ist zwar Satire, aber der echte Jordan wird es gar nicht bemerkt haben.

Dafür bemerken wir die rasende Spielfreude, mit der sich DiCaprio und alle anderen in ihre Porträts der Habsucht werfen. Vor allem Komiker Jonah Hill ist hinreißend haltlos, und Margot Robbie gibt eine kongeniale Zicke für den Helden ab.

Wie der Finanzmarkt aber nun wirklich funktioniert, erfahren wir trotz vieler Scheinerklärungen direkt in die Kamera dann doch nicht. Nur dass man Bankberater am besten mit Gummihandschuhen anfasst.

Wing

USA 2013. R: Martin Scorsese B: Terence Winter K: Rodrigi Prieto D: Leonardo DiCaprio, Matthew McConaughey, Margot Robbie, Jon Favreau, Jonah Hill, Kyle Chandler, Rob Reiner. 180 Min.