THERE WILL BE BLOOD

Mit eiserner Gier

P.T. Anderson (»Magnolia«) erzählt, wie das Öl in die Welt kam.

Ich bin ein Ölmann" sagt Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) und seine Stimme ist so geschmeidig, wie der Rohstoff, den er aus der Erde befördert. Vor ihm im Versammlungsraum irgendeines Dorfes sitzen ein paar Dutzend Farmer, arme Schlucker, die dem kargen Land im Kalifornien des beginnenden 20. Jahrhunderts mühsam ihr täglich Brot abringen. Neben Plainview sitzt ein Junge, den er wie einen Talisman zu jedem Geschäftstermin mitnimmt: Ein Kind an der Seite schafft Vertrauen bei den einfachen Leuten. Denn die Stimme von Plainview mag noch so ölig klingen, die schmalen Augen, aus denen Gier und Entschlossenheit herausblitzen, haben etwas angsteinflößendes.

In den ersten zwanzig wortlosen Filmminuten von P.T. Andersons There Will Be Blood konnte man den Mann beobachten. In einem tiefen, engen Schacht hat er auf der Suche nach Silber die Spitzhacke in den Fels getrieben. Mit einer Wucht, die nicht nur auf Muskelkraft beruhte, sondern auf dem eisernen Willen, der Erde ihre Schätze mit Gewalt zu entreißen. Dann steht eines Tages ein junger Mann in Plainviews Büro und erzählt von der Farm seines Vaters, wo sich der Boden nach einem Erdbeben schwarz färbt vom Öl. Das unfruchtbare Land sei für wenig Geld zu haben. Plainview kauft es und alles, was drum herum liegt, und stellt seine hölzernen Bohrtürme in die Landschaft, die weithin sichtbar eine neue Zeit verkünden.

Irgendwann rumort es in der Erde und nach einer Gasexplosion schießt eine schwarze Fontäne in den Himmel. "Hier drunter liegt ein Ozean von Öl. Und keiner außer mir kommt da ran!" freut sich Plainview und scheint schon vergessen zu haben, dass sein Ziehsohn bei der Explosion schwer verletzt wurde. Die Gier ist stärker als alles andere. Sie ist eine Naturgewalt der Seele, so stark und kraftvoll wie die Ölfontäne, die dort aus der Erde schießt, die das Land drumherum und die Menschen, die darin leben, für immer verändern wird.

Daniel Day-Lewis verkörpert diese rohe, frühkapitalistische Kraft, die Macht und Geld an sich reißt, die sich eine Landschaft unterwirft und die Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen umformt als archaischen Helden des Materialismus. Ihm gegenüber steht der zart gebaute Paul Dano, in der Rolle des Laienpredigers Eli Sunday, der den Ölboom dazu benutzen will, mit seiner "Kirche der dritten Offenbarung" die spirituelle Alleinherrschaft zu gewinnen. Der Zweikampf der beiden Machtmenschen führt zu einem blutigen Finale von biblischer Wucht. P.T. Anderson, der hier den Roman "Öl!" von Upton Sinclair sehr frei bearbeitet hat, schafft ein atmosphärisch unglaublich dichtes Sittengemälde, das die kapitalistischen Pionierjahre im amerikanischen Westen vollkommen entidealisiert. Daniel Plainview, den Day-Lewis mit enormer schauspielerischer Präsenz verkörpert, ist ein tragischer Held, der kein Mitleid haben will. Ein Seelenverwandter von Charles Foster Kane aus Orson Welles "Citizen Kane", nur dass Plainviews Seele bis zum Schluss undurchdringlich bleibt.

Einmal und nur kurz erhascht der Film einen Blick in den Abgrund seiner Persönlichkeit. Einem Mann, der vorgibt sein Bruder zu sein, erzählt er von seinem tiefen, unergründlichen Hass gegenüber den Menschen. Eine stille, grandiose Szene, in der mit ein paar Dutzend schlichten Worten kurz das Tor zu einer unergründlichen Höhle aufgemacht wird. Überhaupt sind Andersons Dialoge in diesem Film von einer schlichten, rohen Poesie, die Lichtjahre von der Geschwätzigkeit des gegenwärtigen Kinos entfernt sind. Anderson vertraut zurecht auf die nonverbale Ausdruckskraft seines Hauptdarstellers, den brillanten Bildern seines Kameramannes Robert Elswit und nicht zuletzt dem famosen, kontrapunktisch komponierten Soundteppich des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood. Natürlich hat die Saga vom Ausstieg und Fall des Ölmannes und der Zweikampf zwischen christlichem Fundamentalismus und kapitalistischen Materialismus unübersehbare Bezüge zum aktuellen weltpolitischen Dilemma. Aber Anderson ist kein explizit politischer Filmemacher und hütet sich davor, eine wasserfeste Parabel aufzubauen. Erst im Widerhall der Zuschauerwahrnehmung im tiefen Tal der Gegenwart entwickelt die historische Geschichte ihre metaphorische Kraft.

Martin Schwickert

USA 2007 R&B: Paul Thomas Anderson nach einem Roman von Upton Sinclair K: Robert Elswit D: Daniel Day-Lewis, Paul Dano, Kevin J. O'Connor


Das Interview zum Film