THE HOUSE IS BURNING Letzte Tage
Prolls am Abgrund: Ein Blick auf das Alltags-Leben der Kids in den USA Mike geht zur Armee, morgen wird er eingezogen werden. Mikes Vater war auch schon bei der Armee und ist jetzt tot. Mike wird eine verbitterte Mutter und eine kleine Schwester zurücklassen, wenn er sich morgen in den Bus setzt, der ihn erst zur Grundausbildung und dann in den Irak bringen wird. Mikes Freundin Valerie will an seinem letztem Abend eine Abschiedsparty schmeißen. Leider vögelt sie am Morgen des großen Tages mit Phil, dem stadtbekannten Drogendealer mit dem großen Schwanz. Phils Ex-Freundin Terry sitzt derweil zerknittert und verheult in einem Bewerbungsgespräch. Sie will endlich einen Job, aber aus den Fragen, die der freundliche Personalchef stellt und vor aus allem Terrys Antworten können wir entnehmen, dass sie unter 40 Bewerberinnen auch diesmal eine Niete zieht. Sorry, sagt der Personalchef und gibt Terry ihre Akte zurück, aber wir sind hier kein Fortbildungsinstitut. Terry will eigentlich losheulen, aber dann reißt sie sich noch einmal zusammen und sagt: ich kann auch sehr gut Blasen. Bemerkenswert an Holger Ernst hoffnungslosem Sozialdrama ist, dass er nach solchen Sätzen die Szene verlässt. Wir werden nicht erfahren, ob Terry dem freundlichen Herrn wirklich einen geblasen hat. Wichtiger ist: sie hat keine anderen Optionen mehr. Terry ist proll und fertig und am Ende, und dass mit Anfang 20. In The House is burning hat sich das Elend schon verfestigt, es gibt keinen Ausgang mehr aus dieser amerikanischen Suburbia, einst der Hoffnungsgürtel jeder Stadt, jetzt auf dem besten Wege, zu verslumen. Die Eltern haben keine Jobs und verlieren ihre Häuser, die Kinder haben keine Schulbildung, keine Ausbildung, keine Perspektive. Niemand interessiert sich mehr für irgendwen, es gibt auch keinen Kampf mehr. Wer außerhalb von George Bushs Steuerklasse lebt, hat eigentlich schon verloren. Einer der Jungs wird später einen Schnapsladen überfallen. "Was würden deine Eltern sagen, wenn sie dich so sehen könnten?ö, sagt der Verkäufer, während er das Geld aus der Kasse übergibt. "Scheiße, Mann, was weißt du schon von meinen Eltern!" sagt der Junge und schießt den Verkäufer in den Kopf. The House is burning erzählt die Geschichte von knapp einem Dutzend Menschen an einem Tag. Es gibt keine Statements, aber eine Menge christlicher Kreuze baumeln durchs Bild. Es gibt nicht einen Satz über "gesellschaftliche Verhältnisse", aber in jeder dritten Szene ist gut platziert eine US-Fahne zu sehen. Und gleich am Anfang macht ein kleines Mädchen den Fernseher aus, in dem gerade die täglichen Irak-Massaker zu sehen sind. Es wird gesoffen, gevögelt, geprügelt, gemordet und gestorben werden an diesem Tag. Es wird uns zu Tränen rühren und manchmal schmunzeln lassen, der Film hat Charme, Witz, Spannung, er ist nicht pathetisch, aber am liegen ein paar Tote im Regen, die von Sanitätern ungerührt weggeräumt werden. In aller sachlichen Anteilnahme wirken sie wie die Müllabfuhr. Am Ende geht keine der Geschichten auf, das Leben geht weiter. Nach The House is burning klingt das mehr wie eine Drohung.
Victor Lachner
D/USA 2006 R+B: Holger Ernst. K: Mathias Schöningh D: Joe Petrilla, Nicole Vicius, Robin Taylor, Melissa Leo
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