MARINA ABRAMOVIC - THE ARTIST IS PRESENT Haut und Kochen Eine Dokumentation über die Großmutter der Performance-Kunst Marina Abramovic ist ein Phänomen. Fast im Alleingang hat sie vor 40 Jahren die Performance-Kunst erfunden, an ihre Grenzen und darüber hinaus getrieben, und nun gewann auch noch der Film über ihre letzte große Aktion den Publikumspreis der Berlinale. So erfolgreich ist Kunst selten. Dabei bestand die hauptsächlich im Film gefeierte Performance bei ihrer ersten großen Retrospektive 2010 im New Yorker MoMA (750000 Besucher) doch nur aus Marina Abramovic, die 700 Stunden lang während der Öffnungszeiten schweigend auf einem Stuhl saß und etwa 1500 Menschen ansah, die sich in ordentlicher Reihe anstellten, um der Künstlerin gegenüber zu sitzen und zurück zu gucken. Das ist vielleicht Kunst, aber noch kein Film. Deshalb zitiert Filmemacher Mathew Akers zwischendurch auch Schnipsel aus dem Leben Abramovics, die schon als Kunststudentin gerne nackt vor die Wände einer Tiefgarage lief und sich dabei filmen ließ, mit Messern spielte, sich mit Blut besudelte oder mit dem deutschen Künstler Ulay jahrelang nomadisch auf Tour lebte, um in aller Welt Performances aufzuführen. Erst spät kam ein New Yorker Galerist auf den Dreh, die flüchtige Form der Performance für den Kunstmarkt handelbar zu machen. Abramovic's Werke wurden zu Wertpapieren, und manchmal wundert sich die Künstlerin jetzt in den Interviews: Jahrelang sei sie misstrauisch nach ihrem Geisteszustand befragt worden und wo denn die Kunst etwa beim öffentlichen Duschen im Museum sei. Heute frage keiner mehr. Auch der Film fragt nicht. Er feiert das offensichtliche Talent seiner Hauptperson zur Inszenierung, die sogar wie ein Gemälde aussieht, wenn sie krank im Bett liegt, in roter Bettwäsche, mit einer Schale Apfelsinen im Arm. Oder prächtig buntes Gemüse putzt, wenn sie für ihren Kurs mit Performance-Studenten kocht. Und er mischt, inhaltlich passend, aber dokumentarisch verwirrend ohne Zeitangaben, verschiedene Abramovic-Perfomances zwischen die titelgebende, so dass kein Porträt einer Entwicklung entsteht, sondern eher ein Plakat. Nur einmal wird es fast dramatisch: Eine Zuschauerin im MoMA schlüpft, als sie endlich zu ihrer Heldin vorgelassen wird, aus ihrem Sommerkleidchen und will sich nackt zum Teil des Kunstwerks machen. In Sekunden blockieren Sicherheitsmänner die Sicht und drängen sie ab. "Ich dachte, das Publikum sei Teil der Kunst" heult sie anschließend. Welch ein Irrtum! War das ein geplanter Eklat? Immerhin bewegen sich die Museumswärter fast wie ein Ballett, und schon vorher hat Abramovic gerne nackte Menschen an engen Stellen ins Museum gestellt, damit sich das Publikum zwischen ihnen hindurch drücken musste. Gäbe es noch Platzanweiser im Kino, die Vorstellungen könnten interessant werden. Alternativ empfehlen wir das Spiel zur Performance. Unter www.pippinbarr.com/games/ theartistispresent/TheArtistIsPresent.html liegt ein Warteschlangensimulator mit einer schön gepixelten Marina am Ende. Wing USA 2012. R: Matthew Akers, Jeff Dupre K: Matthew Akers D: Marina Abramovic, Ulay, Klaus Biesenbach, Arthur Danto, David Blaine, James Franco
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