TEXAS CHAINSAW MASSACRE

Korrekte Spinnweben

Der schmutziger Kultfilm als gelacktes Industrie-Remake

Kein anders Genre dreht sich so erfolgreich um sich selbst wie der Horrorfilm. Studiert man die einschlägigen Abteilungen in den Videotheken, kommt man vielleicht auf ein Dutzend Klassiker, die immer und immer wieder gnadenlos recycelt, geplündert, zerlegt und neu zusammengesetzt werden.
Zur Ursuppe des Genres kann sich Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre zählen. Hooper führte nicht nur die Kettensäge als effektives Mordinstrument ins Genre ein, sondern provozierte auch durch seine rohe Ästhetik Publikum und Moralwächter.
Das war 1974. Damals war Gewalt auf der Leinwand noch ein Mittel zur Provokation des filmischen Establishments. Mittlerweile sind die Regale der Videotheken mit Splatterfilmen gefüllt. Was damals mit dem Gestus Avantgarde daherkam, ist heute nur noch ein kommerzielles Massenprodukt für eine immer abgebrühtere Fangemeinde.
Pearl Harbor -Regisseur Michael Bay hat als Produzent ein Remake in Auftrag gegeben - aus Liebe zum Original, wie er behauptet, aber vielleicht auch, um auf einfache Weise sicheres Geld zu verdienen. Das Gerüst der Story, die eine Gruppe von Teenagern von der Straße abkommen lässt und in die Obhut einer kannibalistischen Familie übergibt, bleibt bestehen. Auf lästige Aktualisierungen wird verzichtet. Fleischerhaken, Kettensäge und das Ledergesicht ihres Betreibers sind ohnehin längst zu zeitlosen Genre-Accessoires geworden.
Vieles in dieser Update-Version wirkt heute etwas abgedroschen. All die Autos, die im entscheidenden Augenblick mit Anlasserproblemen kämpfen. Oder auch die Sprinkleranlage, die das weiße T-Shirt der BH-losen Hauptdarstellerin Jessica Biel fachgerecht benetzt.
Regiedebütant Marcus Nispel kommt aus der Musikvideobranche. Er verpasst dem Film eine leicht körnige, ausgewaschene Textur, die ein wenig an zeitgenössische Jeans-Werbung erinnert. Fast schon liebevoll sind die Ausstatter bemüht, dem Horror bis ins kleinste Detail Gestalt zu verleihen. Jede Spinnwebe sitzt an der richtigen Stelle. Selbst die Schweinehälften, die im Schlachthausfinale von der Decke baumeln, sind sichtlich um Glaubwürdigkeit bemüht.
Aber auch wenn die Schockeffekte im Dolby-Suround-Verfahren ins Publikum hineingerammt werden, will dieses Remake einfach nicht jene Wirkung entfalten, die das Original zu einem Genremythos werden ließ. Zu viel Zeit ist vergangen. Zu viel einschlägige Filme liegen dazwischen. Der anarchische Charme und die wütende Sozialkritik des Low-Budget-Originals bleiben im durchgestylten Remake zwangsläufig auf der Strecke.

Martin Schwickert

USA 2003 R: Marcus Nispel B: Scott Kosar K: Daniel C. Pearl D: Jessica Biel, Jonathan Tucker, Erica Leerhsen