TATTOO

Hautsachen

Ein deutscher Thriller mit "Lämmer"-Touch

Psychothriller sind nicht unbedingt eine Domäne des deutschen Films. Alles, was nach Krimi riecht, wird hierzulande gleich ins Fernsehprogramm abgeschoben. Mit seinem Debütfim Tattoo will Regisseur Robert Schwentke hoch hinaus und reiht sich ganz frech neben amerikanische Genreklassiker wie Das Schweigen der Lämmer und Sieben ein.
Selbstbewusstsein ist kein Fehler, auch wenn man die eigene Messlatte nicht ganz erreicht. Schließlich scheitern deutsche Filme selten an zu hoch gesteckten Visionen, sondern an falschen Kompromissen. Die Geschichte von Tattoo ist eklig, so wie es das Genre verlangt. Es geht um Haut, genauer gesagt um tätowierte Haut, die unter perversen Sammlern zur Handelsware wird. Der junge Polizeischulabsolvent Marc Schrader (August Diehl) hatte sich eigentlich auf einen ruhigen Büroposten beworben, um sich von seinen nächtlichen Ausflügen in die Berliner Clublandschaft besser erholen zu können. Dann ruft ihn der finster dreinblickende Hauptkommissar Minks (Christian Redl) zu sich in die Mordkommission. Der erhofft sich durch den jungen Kollegen einen leichteren Zugang zur Szene, aus der das letzte Mordopfer eines Tattoo-Jägers stammt. Schon bald kommen sie dem Serientäter auf die Spur und stoßen auf einen Händlerring, der im großen Stil die Meisterwerke japanischer Tätowierkünstler mitsamt der Haut der unsanft Verstorbenen zum Verkauf anbietet.
Den blutigen Krimiplot nutzt Schwentke als Folie für ein düsteres Sittengemälde einer Gesellschaft, in der die Haut des Menschen zur geldgierigen Verwertung freigegeben wird. Aber nicht wegen seiner kurzen, drastischen Blicke auf körperliche Verwüstungen, geht Tattoo unter die Haut. Die Qualitäten des Films liegen eher im Atmosphärischen. Aus Versatzstücken von Berliner und Kölner Stadtlandschaften und äußerst stringent durchgestylten Innensets, kreiert Schwentke eine eigene Filmwelt, die die zerstörte Seelenstruktur seiner Figuren spiegelt. Der junge August Diehl (23) mit seiner zarten, zerbrechlichen Statur gibt einen der ungewöhnlichsten Cops des Genres ab. Christian Redl löst sich in jeder Szene ein Stück von seinem Böse-Bullen-Image, und auch Nadeshda Brennicke überzeugt halbwegs als Femme Fatale. Neben dem unbedingten Willen zum eigenen Stil setzt Tattoo vor allem auf die Wandlungsfähigkeit seiner Figuren. Sie und nicht die blutigen Effekte zeichnen für die Spannung des Films verantwortlich.

Martin Schwickert

D 2002 R&B: Robert Schwentke K: Jan Fehse D: August Diehl, Christian Redl, Nadeshda Brennicke