TANNÖD

Gefährliche Dörfler

Eine gelungene Verfilmung des Independent-Bestsellers

Der Weg vom Dorf zum Hof führt durch den dunklen Wald vorbei an einem Kruzifix. Das Grundstück des Nachbarn ist in Sichtweite, aber weit genug entfernt, um einander in Ruhe zu lassen. Und das ist gut so. Denn der Danner, dem der Tannödhof gehörte, war ein Ekel. Niemand im Dorf trauert dem groben Kerl hinterher. Auch wenn das keiner sagt angesichts der grausamen Tat. Die ganze Familie samt Kindern und Magd wurde in der Nacht mit der Spitzhacke erschlagen und den Mörder haben sie nicht gekriegt.

Ein ungeklärtes Verbrechen, das sich 1922 im bayrischen Hinterkaifeck ereignete, diente Andrea Maria Schenkel als Inspiration für ihren Roman Tannöd . Der Regionalkrimi schaffte es weit nach oben in die Bestsellerlisten.

Genau wie Schenkel verfrachtet auch die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli ( Die Herbstzeitlosen ) mit ihrer Kinoadaption die Handlung in die fünfziger Jahre, schafft jedoch eine neue Hauptfigur, die als Medium für die düsteren Vorkommnisse in der Dorfgemeinschaft fungiert. Julia Jentsch spielt Kathrin, die früh ins Klosterinternat gesteckt wurde und nun ins Dorf zurückkehrt, um die Beerdigungsangelegenheiten ihrer verstorbenen Mutter zu regeln. Der grausame Mord im Tannödhof liegt erst ein paar Jahre zurück und ist immer noch im Gespräch. Vor allem bei Traudl (Monica Bleibtreu), die in der Mordnacht ihre jüngere Schwester als Magd zu den Danners gebracht hat und nun über deren Tod nicht hinwegkommt. Die etwas verwirrte Alte verdächtigt diesen und jenen und vertraut genau wie die anderen Dorfbewohner der jungen Krankenschwester Kathrin ihre Erlebnisse an.

Oberli hält sich damit an die ungewöhnliche Erzählstruktur des Kriminalromanes, der anhand von verschiedenen Zeugenaussagen immer neue subjektive Perspektiven auf das Verbrechen wirft und den Tathergang auf einer zweiten Erzählebene bruchstückhaft zusammensetzt. Das funktioniert auf der Leinwand fast noch besser als im Roman, auch wenn Oberli in den Rückblenden allzu sehr auf die Suspense-Tricks des Horrorfilms setzt.

Während die düstere Vergangenheit in kalten Winterbildern eingefangen wird, leuchtet die Gegenwart in hellen Frühlingsfarben, die jedoch die klaustrophobische Enge der Dorfgemeinschaft nur an der Oberfläche als ländliche Idylle erscheinen lassen. Darunter gärt es, denn jeder der Bewohner scheint seinen Anteil an der Ermordung der Außenseiterfamilie gehabt zu haben. Ein wahres Horrorkabinett dörflicher Bigotterie versammelt sich hier, das auf der Leinwand vom herrschsüchtigen Pfarrer bis zum groben Wirtshausvolk deutlich klischeebelasteter wirkt und alle Vorurteile gegenüber dem bayerischen Hinterwäldlerdasein bestätigt.

Martin Schwickert

D 2009 R: Bettina Oberli B: Petra Lüschow nach dem Roman von Andrea Maria Schenkel K: Stéphane Kuthy D: Julia Jentsch, Monica Bleibtreu, Volker Bruch