TAGE UND WOLKEN Das lange Elend Nach »Brot und Tulpen« zeigt Silvio Soldini nun Boote und Tränchen Das Schicksal ist manchmal gnadenlos. Und manchmal trifft es sogar wohl situierte Leute im malerischen Abendlicht in Genua. Elsa zum Beispiel, eine stilvolle Endvierzigerin, die gerade in Kunstgeschichte spätpromovierte und nun das geschmackvoll eingerichtete Haus voller Gratulanten hat. Alles wäre gut und schön, wenn nur Ehemann Michele nicht plötzlich eingestünde, dass ihn missgünstige Kompagnons ihn schon vor Monaten aus der selbst gegründeten Bootsbaufirma drängten. Das Paar ist pleite, Schulden drücken, ein alter Vater kostet im Heim noch extra, der Himmel bewölkt sich. Jetzt könnte mit großem Krachen die Fassade des luxuriösen Lebens zusammenbrechen, jetzt könnte es komisch werden, herauszufinden, dass es Wein auch in Tüten gibt, oder tragisch, zu entdecken, dass man längst nur noch von den Möbeln zusammengehalten wurde, die jetzt verkauft werden müssen. Alle diese Themen deutet Soldini an, aber keins führt er deutlich aus. Der Abstieg von der Ledercouch in die Mietskaserne zieht sich lang hin und verläuft weitgehend undramatisch. Die Frau packt an, besorgt sich kleine Bürojobs und achtet immer auf adrette Kleidung. Der Mann verwahrlost dagegen, hasst sich dafür, keinen neuen Job zu finden, und beide streiten sich auseinander und sehen dann und wann schon recht verzweifelt aus. Dazwischen zeigt Soldini immer wieder den Himmel über Genua, das Meer, und einen hoffnungsvollen Horizont hinter dem aus Mittelalter und Moderne gemischten Häuserhaufen. Und das Fresko in einer alten Kirche, an dessen Rekonstruktion Elsa unentgeltlich arbeitete, als die Welt noch in Ordnung war. Als Kontrast dazu werkelt Michele eine Zeit lang mit ebenfalls gefeuerten Arbeitern aus seiner Ex-Firma als Renovierer gegen Schwarzgeld. Einmal reissen sie eine Wand ein, ohne zu wissen, ob sie tragend ist. Solche sauber konstruierten Sinnbilder sind aber selten. Dagegen wimmelt es von kleinen Episoden, in denen sich mal einer schämt, kein Geld zu haben, oder dem anderen die Hand dabei zittert, eine teure Flasche Wein zu entkorken. So setzt Soldini immer, wenn die Geschichte beinahe politisch werden könnte, auf's poetische. Michele ist aus Klassendünkel grob zum unstudierten Freund seiner Tochter - aber als er Elsa ehestreitig verlässt, kommt er bei dem auf der Klappcouch unter und findet ihn nett. Elsa tröstet sich mal kurz mit ihrem neuen Chef, aber putzt dann doch lieber die verlassene Wohnung und kümmert sich wieder um ihr Fresko. Das sieht alles gut aus, ist gut gespielt und vermeidet die Fallen von Sozialkitsch und Agitation. Aber muss man 115 Minuten lang sehen, dass es arbeitslose Manager auch nicht leicht haben und Liebe wichtiger ist als ein Girokonto? Wing I/Schweiz 2007 Giorni e Nuvole. R: Silvio Soldini B: Doniana Leondeff, Francesco Piccolo, Federica Pontremoli, Silvio Soldini K: Ramiro Civita D: Margherita Buy, Antonio Albanese, Giuseppe Battiston
|