VOM SUCHEN UND FINDEN DER LIEBE

Liebe in Edelstahl
Genial, blöd oder genial blöd? - Helmut Dietls Versuch zwischen Ironie und Pathos

Liebe ein Leben lang und über den Tod hinaus - das ist der Mythos, von dem das Kino zehrt und den schon die griechische Tragödie beschworen hat. Die Geschichte von Orpheus, der in die Unterwelt abtaucht, um seine verstorbene Geliebte Eurydike dem Tod zu entreißen, diente Regisseur Helmut Dietl und seinem Co-Autoren Patrick Süskind als Assoziationsvorlage für einen Film, der sich in schwülstiger Schlichtheit Vom Suchen und Finden der Liebe nennt. Orpheus hört hier auf den Namen Mimi Nachtigal und wird von Moritz Bleibtreu gespielt. Nicht weniger klangvoll wurde Eurydike in Venus Morgenstern umgetauft und mit Alexandra Maria Lara besetzt. Und weil sich seit der Antike die Geschlechterrollen ein wenig verschoben haben, steigt jetzt die Frau hinab in den Hades, um ihren Ex-Geliebten, der sich im Trennungsschmerz das Leben genommen hat, eine zweite Chance zu geben.
Mimi und Venus waren das Traumpaar der deutschen Schlagerszene. Der Komponist hatte die junge und unbegabte Gesangsstudentin nach seinen Vorstellungen geformt und ihr zu einer ruhmreiche Karriere verholfen.
Aber im siebten Ehejahr, auf dem Höhepunkt des Erfolges, ist die große Liebe in den Mühlen der Geschlechterdifferenz gründlich aufgerieben worden. Venus nimmt sich einen blondgefärbten Musikmanager (Justus von Dohnányi) ins Bett, und Mimi schnuppert auf den Klaviertasten verzweifelt dem Geruch seiner Liebsten hinterher. Das Drama kulminiert stilgerecht auf einer griechischen Insel in dem Feriendomizil seines Freundes Theo (Uwe Ochsenknecht), dessen Ehe mit Helena (Anke Engelke) nicht am romantischen Overkill, sondern am modernen Beziehungspragmatismus zu scheitern droht.
Äußerst angestrengt wirkt Dietls Diskurs über die Liebe im besonders Allgemeinen, der große Gefühle beschwört und sie gleichzeitig ironisch zu brechen versucht. Immer wieder rückt die Kamera aus, um die tränenbenetzten Rehaugen von Alexandra Maria Lara ins Cinemascope-Format zu rücken.
Die geschliffenen Dialogpassagen werden auf dem Silbertablett hereingetragen und fallen schon beim ersten Nachdenken in sich zusammen. Dann wieder - etwa wenn Uwe Ochsenknecht im Hirten-Outfit mit einer Dauererektion über die Insel hirscht - rutscht der Humor auf Komödienstadl-Niveau ab. So manches Liebesgeständnis wirkt wie aus einem Schlagertext abgeschrieben, und während man noch darüber nachdenkt, ob das ein besonders ausgetüftelter Ironie-Coup sein soll, beschleicht einen das Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber den edelstahlmöblierten Wohlstandspaaren.

Martin Schwickert
D 2004 R: Helmut Dietl B: Helmut Dietl, Patrick Süskind K: Jürgen Jürges D: Moritz Bleibtreu, Alexandra Maria Lara, Uwe Ochsenknecht