St. Vincent

Armer Heiliger

Bill Murray wird alt und erwachsen

Wenn ich einmal alt werde, dann bitte so wie Bill Murray. Pleite, griesgrämig und mit einer schwangeren russischen Hure als einzigem menschlichen Kontakt. Jedenfalls, wenn sie aussieht wie Naomi Watts.

Falls ich je jung war, dann sicher ein bisschen wie Jaeden Lieberher. Unsportlich, naseweis und ebenso geliebt wie unterversorgt von der dicken Mutter Melissa McCarthy. Die tut alles für ihr Kind, muss alleinerziehend allerdings meistens so lange arbeiten, dass der miesepetrige "Vin" von nebenan zum Ersatzvater für den Prügelknaben aufwächst.

Und sollte ich wirklich mal mein Spielfilmdebüt drehen, dann muss es einfach so frech klischeebeladen und gegen den Strich gedreht ausfallen wie dieses von Theodore Melfi. Der erzählt nämlich nach eigenem Drehbuch nicht nur eine wunderbare Ersatzfamiliengeschichte, sondern siedelt sie ohne ein böses Wort am unteren Ende des zerbrechenden amerikanischen Mittelstandes an.

Eigentlich haben alle längst keine Chance mehr. Das Kind passt nicht in die Schule, die Mutter hat Stress mit dem geschiedenen Vater, der Nachbar hat Ärger mit Schuldeneintreibern und die Nutte wird zu dick für den Job in der Stripbar. Aber irgendwie raufen sich doch alle zu einem kleinen Glück zusammen. Melfi kombiniert Disney mit der Lindenstraße, berührt wirkliche Probleme echter Menschen und schreckt weder vor Schicksalsschlägen noch Slapsticknummern zurück.

Am Ende singen Bob Dylan und Bill Murray zusammen "Shelter from the Storm" und in einem vergammelten Blumentopf im Hinterhof steckt eine ramponierte US-Flagge. Das Bild hält lange noch. Und wer ein Herz zum Sehen hat, erkennt, dass alle Unwahrscheinlichkeiten der Geschichte nur einem guten Zweck dienen. Sei ein Heiliger, gehe Risiken ein, opfere Sicherheiten für das Gute, auch wenn dein Bankberater das anders sieht.

Wing

USA 2014. R + B: Theodore Melfi K: John Lindley D: Bill Murray, Melissa MacCarthy, Jaeden Lieberher, Naomi Watts, Chris O'Dowd. 82 Min.