STURM

Die Mühen der Gerechtigkeit

Der Bosnien-Krieg vor Gericht: Hans-Christian Schmids Spielfilm handelt von den Kuhhändeln hinter den Kulissen

Die Zeit rennt davon. 2010 läuft das UN-Mandat des Haager Gerichtshofs für Verbrechen im Bosnienkrieg aus. Hannah Maynard (Kerry Fox) arbeitet als Anklägerin für das internationale Tribunal. Ihr wichtigster Zeuge gegen den serbischen Befehlshaber Goran Duric, der für die Deportation und Ermordung bosnisch-muslimischer Zivilisten verantwortlich war, ist gerade eingebrochen und hat sich noch in derselben Nacht das Leben genommen.

Bei der Beerdigung lernt Hannah dessen Schwester Mira (Anamaria Marinca) kennen, die weitaus grausamere Details über die Deportation zu kennen scheint. Zusammen mit anderen Frauen wurde Mira während des Krieges in ein Kurhotel verschleppt, wo sie zum Opfer systematischer Vergewaltigungen durch serbische Soldaten wurde.

Mira hat längst in Berlin ein neues Leben angefangen. Sie will von der schmerzhaften Vergangenheit nichts mehr wissen, aber Hannah überzeugt sie davon, vor dem Tribunal auszusagen. Dabei ist eine Verurteilung des Täters keineswegs garantiert. Duric wird in seiner Heimat als Held gefeiert, eine Wahl steht vor der Tür und ein Aufnahmeantrag für die EU liegt auf dem Tisch. Unter der Hand beginnen Verhandlungen mit dem Angeklagten, der seine Schuld für die Deportation eingestehen will, wenn die Vergewaltigungsvorwürfe fallen gelassen werden.

In Sturm zeigt Regisseur Hans-Christian Schmid ( Requiem ) wie individuelle Gerechtigkeitsansprüche in den Mühlen von Justiz und Realpolitik zerrieben werden. Kerry Fox spielt die Anklägerin zwischen den Fronten, die an den Widersprüchen der Gerichtsbürokratie zu zerbrechen droht, mit einer klaren, kraftvollen Präsenz, und Anamaria Marinca ( 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage ) verleiht ihrer Figur, die sich den traumatischen Erinnerungen noch einmal stellt, eine enorme Intensität.

Die beiden starken Frauenfiguren stehen im Zentrum des Films, der im Stil eines traditionellen Politthrillers aufgebaut ist. Mit seinem differenzierten Blick auf die persönlichen und politischen Verhältnisse beweist sich Schmid erneut als bekennender Kinohumanist, der ohne vorformulierte Antworten die gesellschaftliche Realität befragt.

Martin Schwickert

D/DK/NL 2009 R: Hans-Christian Schmid B: Bernd Lange, Hans-Christian Schmid K: Bogumil Godfrejow D: Kerry Fox, Anamaria Marinca, Steven Dillane