Still

Alm auf und ab

Ein Dokumentarfilm über eine junge Bäuerin

Uschi ist 22 und hat schon die Welt gesehen. Sie muss nicht in die Landwirtschaft und sie weiß auch nicht, ob sie das will. Aber jetzt will die Tochter eines Bauernpaars im bayerischen Oberland unbedingt einen Sommer auf der Alm verbringen. Allein mit sich und einer störrischen Ziege.

Schon wegen der glaubt Mutter Rosi: "Die spinnt". Uschi geht trotzdem auf den Berg, hütet Kühe, macht Käse und erzählt Dokumentarfilmer Matti Bauer in netterweise untertitelter Mundart von ihrer Sucht nach Stille und vom Reiz der robusten Idylle. Die Wünsche ihrer Eltern nach Hofübernahme und Enkeln liegen in weiter Ferne.

Im Winter danach ist Uschi zurück auf dem elterlichen Hof und mittlerweile schwanger. Von wem spielt keine Rolle, so wie auch ein später sporadisch auftauchender Freund, im Zivilleben Pilot und ständig unterwegs, kaum vorkommt. Uschi zögert noch mit der Entscheidung, den Hof im Tal zu übernehmen. Und ihre Mutter sagt zwei Jahre später, beim nächsten Besuch des Filmemachers, lächelnd, dass sie in ihrem Leben eigentlich alles anders machen würde. "Aber unglücklich bin ich nicht." Dann zieht sie allein aufs Altenteil.

Knorrig bleibt der Vater im Haupthaus, und ganz allmählich entscheidet sich Uschi für den Hof, obwohl der beinahe unrentabel ist. Später muss sie die Milchwirtschaft aufgeben, kriegt noch ein Kind und werkelt unverwüstlich und meist gut gelaunt als Bäuerin. "Früher hätte ich Landwirtin gesagt."

Matti Bauer, ein studierter Völkerkundler, hat 2002 mit seinem Kurzfilm "Hof sucht Herz" ein Genre erfunden, das er so nie wollte. Absichtsvoll lässt er deshalb in seinem "Frau sucht Sinn"-Langfilm Kitsch und Verpaarungsromantik weg. Wir sehen naturbelassene Menschen bei schwerer Arbeit und im sentimentalsten Fall einen Altbauern, der ebenso einsichtig wie traurig zusieht, wie ihm der Viehhändler die letzten Milchkühe vom Hof holt.

Über knapp 10 Jahre hinweg hat Matti Bauer die Uschi immer wieder besucht, ihr zugesehen und zugehört. Hat mit ruhiger Schwarzweißkamera fast warme Bilder gefunden, und im Schnitt nur selten zu symbolischen Einfällen gegriffen. Am Anfang öffnet die junge Sennerin freiheitlich alle Fenster ihrer Bergeinsamkeit, in der Mitte schließen sich Türen, und am Ende schwebt ein Milan im Wind, fast wie die Familienwäsche auf der Leine. "Ich habe die Alm nicht aufgegeben" sagt Uschi, "nur aufs Alter verschoben."

Wing

D 2012. R + B: Matti Bauer K: Klaus Lautenbacher D: Uschi, Jakob, Tom. 80 Min.