Staudamm

Erinnerungen an einen Amoklauf

Über Folgen und Fantasien nach einer schrecklichen Tat

Roman hat seinen Platz im Leben noch nicht gefunden. Er verdient seinen Lebensunterhalt mit der Digitalisierung von Gerichtsakten für einen Anwalt. Jetzt soll Roman die Protokolle eines Amoklaufs an einer Provinzschule bearbeiten.

Bevor er von der Polizei erschossen wurde, tötete ein Junge dort vor einem Jahr mehrere Mitschüler und Lehrer. Da noch weitere Akten zu dem Fall auf dem örtlichen Polizeirevier liegen, wird Roman losgeschickt, sie zu holen. Die Freigabe verzögert sich. Während Roman auf die Unterlagen wartet, lernt er die Schülerin Laura kennen, eine Zeugin und Überlebende. Die beiden freunden sich an. Laura zeigt Roman den Tatort. Durch sie werden die sachlich und distanziert in den Akten und Protokollen geschilderten Ereignisse real. Romans offene Art hilft dagegen Laura.

Einen Film zum Thema Amoklauf oder besser School-Shooting, denn es handelt sich nicht um eine spontane Tat, zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Regisseur Sieben und Drehbuchautor Lyra haben sich für einen sehr behutsamen Weg entschieden. Staudamm spielt ein Jahr nach der Tat, weshalb weder der Amoklauf noch die unmittelbare Trauerarbeit gezeigt wird.

Es soll weder voyeuristische Neugier befriedigt werden, noch verkleisternde Betroffenheit aufkommen. Stattdessen geht es um die noch lange nach der Tat anhaltenden Folgen: Verstörung und Entfremdung. Die Familie des Täters musste den Ort verlassen, die Ortsbewohner sind Fremden gegenüber misstrauisch.

Die Tat selbst erschließt sich erst nach und nach, wenn Roman die Akten als Tonaufnahme in sein Notebook einliest. Oft sieht man dann Bilder aus dem Dorf und dessen Umgebung, was einen scharfen Kontrast zwischen den mit sachlichen Worten beschriebenen Ereignissen und der scheinbar heilen dörflichen Bergwelt entstehen lässt. Die Bilder haben wenig Farbe, sind in tristem Grau gehalten.

Die Inszenierung ist ruhig, mitunter gar ein wenig langatmig. Die bei Filmen mit sozialen Themen oft und gern eingesetzte Wackelkamera gibt es hier nicht, wofür man dankbar ist. Die beiden Hauptdarsteller machen ihre Sache gut, spielen glaubwürdig und sie sprechen durchweg deutlich.

Olaf Kieser

D 2012 R: Thomas Sieben B: Christian Lyra, Thomas Sieben K: Jan Vogel, Christian Pfeil D: Friedrich Mücke, Liv Lisa Fries, Dominic Raacke, Lucy Wirth, 89 Min.