»DER STAATSFEIND NR. 1«

Die Agentur

Will Smith' Leben wird gründlich ruiniert

Die Welt von Produzent Jerry Bruckheimer ist eine Männerdomäne. Sie ist exklusiv heterosexuell und streng geordnet. Spezialeinheiten von Polizei und Armee sorgen für Kalkül und Ordnung, damit die militärisch-politische Hierarchie gesichert bleibt. Von Zeit zu Zeit stört ein ideologischer oder natürlicher Fremdkörper den Testosteron-Club: ein verbitterter US-Soldat läuft Amok ( The Rock ), ein Komet kommt geflogen ( Armageddon ) oder ein Geheimdienstler erstrebt Macht mit allen Mitteln ( Der Staatsfeind Nr. 1 ). Dann ist wieder einmal die Zeit für Bruckheimers Lieblingshelden gekommen: den Bürohengst.
In Der Staatsfeind Nr. 1 spielt Will Smith diesen Part - einen smarten, ausgebufften Anwalt. Nach einem politisch-motivierten Mord wird ihm ein Video mit dem Verbrechen zugespielt. Ein oberer Beamter der National Security Agency, die noch geheimer als die CIA operiert, will das Band um jeden Preis haben. Systematisch ruiniert er Smith' Leben, bis dieser sich nur noch für den Untergrund entscheiden kann. Das ist leichter gesagt als getan. Die Augen der NSA sind überall. Erst als sich Smith mit Gene Hackman verbündet, gelingt es ihm, zurückzuschlagen. Der Anwalt entdeckt den Mann in sich, erfährt eine menschliche Läuterung und geht dem maskulinen Showdown gestärkt entgegen.
Erfreulicherweise verzichtet Regisseur Tony Scott ( Top Gun ) auf pyrotechnische Effekte und waghalsige Hochhaussprünge. Die Bedrohung besteht eben nicht in der Physis eines Verfolgers, sondern der Materie eines Peilsenders oder einer Minikamera. Was man nicht sieht, muß man umso mehr fürchten. Und Smith lernt, daß die Gegner ziemlich viel sehen. Sie haben das Informationsmonopol in ihrer Hand und wollen es nicht hergeben.
Das Eindringen in die Privatsphäre, der totale Lauschangriff, bilden den Überbau der Geschichte. Für Bruckheimer und Scott ist das ein intellektueller Quantensprung, bestechen ihre früheren Filme durch perfekte Action und körperliche Allmacht. Auch Der Staatsfeind wartet mit den üblichen Stilmitteln auf, dynamisiert das Geschehen in drei Akten und ordnet die Handlung stringent. Aber man spürt das Unbehagen, das unter der Oberfläche brodelt.

Ulf Lippitz