»DAS LEBEN IST EIN SPIEL« Diebisches Duo
Claude Chabrol hat mal wieder einen Krimi gedreht Auf Claude Chabrol ist Verlaß. Mit erstaunlicher Akkuratesse bringt der französische Regieveteran seit 1958 jährlich mindestens einen Film heraus. Sein voluminöses Gesamtwerk hat er selbst einmal mit dem schönen Satz kommentiert: "Es ist besser, schlechte Filme zu machen, als gar keine." Nun also der fünfzigste Chabrol. Zum Dienstjubiläum begibt sich der alte Herr wieder auf vertrautes Kriminal-Terrain und gönnt sich dort eine angenehm leichte Komödie. Betty (Isabelle Huppert) und Victor (Michel Serrault) sind ein eingespieltes Gaunerduett, das sich landesweit auf die finanzielle Erleichterung von Kongressteilnehmern spezialisiert hat. Der erfahrene Victor - ein Gentlemen-Betrüger alter Schule - heckt die Pläne und sucht die Opfer aus. Die deutlich jüngere Betty überwältigt Rasenmähervertreter und Zahnärzte mit Charme ("Ich habe Lust Dich zu duzen, zu küssen und mit dir zu schlafen. Greif zu oder lass es sein!") und einer großzügigen Dosis K.O.-Tropfen. Nach dem Coup verschwinden die beiden in ihrem herrlich spießig eingerichteten Wohnmobil, und zu Hause in Paris wird die Beute mit buchhalterischer Genauigkeit geteilt. Bis zum Schluß läßt Chabrol die Beziehung des ungleichen Paares absichtvoll undefiniert im Raum stehen. Die flapsige Art, mit der Betty ihren Victor "Papa" nennt, läßt die beiden wie Vater und Tochter erscheinen. Die intime Kenntnis der Schwächen des Anderen deutet auf ein eheähnliches Verhältnis hin. Der gegenseitige Respekt füreinander wiederum zeugt von langjähriger rein kollegialer Partnerschaft. Diese gezielte Undurchsichtigkeit hält die Verwicklungen im folgenden Krimi-Plot in der Schwebe. Als Betty zwischen zwei Coups einige Wochen Urlaub nimmt, wartet sie beim Wiedersehen in St. Moritz mit einer Überraschung auf. Diesmal hat sie die Planung übernommen und einen ungleich größeren Fisch an der Angel. Betty hat mit dem adretten Maurice (Francois Cluzet) angebändelt, der wiederum seine undurchsichtigen Arbeitgeber um bescheidene 5 Millionen Schweizer Franken betrügen will. Nach anfänglichem Zögern ("Das ist eine andere Liga") willigt Victor in das Vorhaben ein, den Dieb zu bestehlen. Um die Angelegenheit noch ein wenig reizvoller zu gestalten informiert Betty Francois über Victors Absichten und setzt Victor wiederum von dieser kleinen Unvorsichtigkeit in Kenntnis. Flankiert von gegenseitigen Eifersüchteleien nehmen die beiden Herren die Herausforderung zum Gaunerduell an. In James-Bond-Manier wechselt der Film seine Schauplätze: von den verschneiten Schweizer Alpen hin zur sonnigen Geldwäscher-Insel Guadeloupe. Bei dem Versuch sich gegenseitig auszutricksen wechseln ein Stahlkoffer, eine schwarze Ledertasche und ein kariertes Köfferchen mehrfach den Besitzer und wie beim Hütchenspiel wird es immer unklarer, in welchem Gepäckstück die Beute sich nun befindet und auf welche Seite sich Betty schlußendlich schlagen wird. Mit routinierter Leichtigkeit setzt Chabrol seine Kriminalkomödie in Szene. Michel Serrault, der mit zunehmenden Alter seinen Charme potenziert, und Isabelle Huppert, der die frivol-frechen Rollen ohnehin besser stehen als die sanftmütig-introvertierten, geben ein hochgradig vergnügliches Leinwand-Duo ab. Wie seine Figuren, so scheint es auch dem Regisseur einzig um die genußvolle Inszenierung von kriminalistischen Verwicklungen zu gehen.
Martin Schwickert
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