SPIDER-MAN 3

Die dunkle Saite

Auch im dritten Teil bleibt Regisseur Sam Raimi dem Konzept der Serie treu: Neben allem Bombast bleibt Zeit für das Seelenleben der Figuren

Das ewige Hin und Her zwischen bürgerlicher Existenz und Retterdasein, ständig wechselnde Bösewichte und die Unmöglichkeit einer romantische Liebesbeziehung haben Peter Parker immer wieder in die Krise getrieben und seinen Spider-Man zum menschlichsten Superhelden des Kino-Comic-Universums werden lassen. Schlappe 1,6 Milliarden US-Dollar haben die beiden ersten Folgen weltweit eingespielt, was zeigt, dass das Heldenkonzept von Mitleid und Bewunderung und die filmische Mischung aus sensibler Figurenzeichnung und spektakulären Effekten durchaus aufgegangen ist.
Dennoch konnte es so mit Peter Parker nicht weiter gehen, denn der nette, schusselige Student, der sich im blauroten Gummianzug zum tapferen Verbrechensbekämpfer aufschwingt, ist eigentlich zu gut für unsere Welt.
Und so beginnt Spider-Man 3 auch mit einem Happy End, das sogar im Kino zu schön ist, um wahr zu sein. Peter (Tobey Maguire) und Marie Jane (Kirsten Dunst) sind endlich ein glückliches Liebespaar geworden, und ganz New York feiert den Spinnenmann, weil er in der ganzen großen Stadt für Ruhe und Ordnung sorgt.
Aber während die beiden Liebenden auf dem Rücken im Spinnennetz liegen und am nächtlichen Firmament die Sternschnuppen beobachten, fällt ein paar Meter weiter eine klebrige, kosmische Substanz auf die Erde und heftet sich an das Mofa des bescheidenen Helden. Ein paar Nächte später breitet sich der schwarze Schleim über Parkers Körper aus und bildet einen neuen Anzug, der die übernatürlichen Fähigkeiten des Spinnenmannes noch verstärkt. Aber die neue zweite Haut arbeitet auch die dunklen Seiten von Parkers Seele heraus. Der gutmütige Kerl wird zum selbstbewussten Angeber und gewalttätigen Rächer.
In Spider-Man 3 kämpft Peter Parker an allen Fronten: die Geliebte gibt dem von sich selbst eingenommenen Rettungsengel den Laufpass. Ein junger Karrierist (Topher Grace) schnappt ihm den Job als Fotograf beim "Daily Bugle" weg, und ein neues Ungeheuer fegt als Sandsturm durch den Big Apple. Der "Sandmann", der sich zu einer gewaltigen Sandsteinfigur aufbaut und wenig später wieder zu Staub zerfallen kann, um andere Formen anzunehmen, ist einer der fantastischsten Bösewichte im Marvel-Comic-Universum, die CGI-Experten haben hier bei der visuellen Umsetzung des Monsters ganze Arbeit geleistet.
Trotz alledem kämpft Parker in erster Linie gegen sich selbst und seinen inneren Schweinehund. Das klassische faustische Dilemma zwischen den beiden in der Heldenbrust rivalisierenden Seelen hat Regisseur und Drehbuchautor Sam Raimi seinem Spinnenmann angedichtet, und er findet dafür großartige Kinobilder: In einem Kirchturm kämpft sich Spider-Man von seinen Dämonen frei und reißt sich Stück für Stück die klebrige, wabernde schwarze Materie, die von seiner Persönlichkeit Besitz ergriffen hat, vom Leib. Raimi hat auch in dieser Folge keine Angst vor kraftvollen Bildmetaphern, genauso wenig wie vor melodramatischem Kitsch, mit dem er die kriselnde Liebe zwischen Peter und Mary Jane in Szene setzt.
Es ist die Balance zwischen großen Kinogesten und dem Sinn für humorvolle Details, die diesem mit einem Budget von 250 Millionen teuersten Hollywoodfilm vom Makel des kaltherzigen Kalküls befreien. Die künstlerische Kontinuität und Integrität, die Sam Raimi als Regisseur und Drehbuchautor von allen drei Folgen in das Projekt eingebracht hat, zahlt sich hier noch einmal deutlich aus. Von den zahllosen Comicverfilmungen, die in den letzten Jahren über die Leinwand getobt sind, wird "Spider-Man" aufgrund seiner visuellen und emotionalen Vielschichtigkeit eine der wenigen sein, an die sich die Filmgeschichte in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren noch erinnern wird.

Martin Schwickert

USA 2007 R: Sam Raimi B: Sam Raimi, Ivan Raimi, Alvin Sargent nach der Comicvorlage von Stan Lee und Steve Ditko K: Bill Pope D: Tobey Maguire, Kirsten Dunst, James Franco, 140 Min.