Sound It Out Die Wasserstelle Ein liebevolles Portrait über den letzten Plattenladen in Nordengland. Stockton-On-Tees ist alles andere als eine hippe Metropole. Wirtschaftlicher Niedergang und daraus folgende Tristesse prägen das Bild des Industriestädtchens. Ausgerechnet hier, umgeben von Pubs und einem Jobcenter, befindet sich mit dem unabhängigen Plattenladen Sound it Out der Letzte seiner Art im Nordosten Englands. Anlass für die Dokumentarfilmerin Jeanie Finlay, die nur wenige Kilometer entfernt aufwuchs, diesem Vertreter einer aussterbenden Spezies und seinen Kunden eine Dokumentation zu widmen. Sound it Out ist ein vielschichtiger, humorvoller und auch leicht melancholischer Film, der informiert, berührt und ebenso plausible und menschliche Erklärungen für den Reiz des Sammelns von Musik gibt. Sicher bestätigen sich ein paar Klischees. Wie es sich gehört, sind die Wände mit Band-Postern und Plattencovern gespickt, überall stehen Kisten voller Platten. Besitzer Tom Butchart, seit 17 Jahren Herr der Platten, und sein Mitarbeiter David beraten und bedienen ihre Kunden natürlich in Band- oder Comic-T-Shirts. In Sekunden finden die beiden Profis die gewünschten Tonträger in den über 50 000 im Laden. Sollte mal etwas nicht da sein bieten sie an, es zu bestellen. Sultans of Swing? Dire Straits. Auf dem Album Money for Nothing. Macht fünf Pfund. Tom versucht alles zu hören, was neu reinkommt. Derzeit sei Mákina sehr beliebt, eine dem UK Hardcore ähnliche aber aus Spanien stammende Mischung aus Bouncy Techno und Trance. Tom und David haben durch ihre jahrelange Arbeit Theorien entwickelt, was einen Sammler ausmacht und antreibt. "Men like to collect. Men like music. Men collect music". Einige Sammler gewähren intime Einblicke in ihre Motivation und ihre Beziehung zur Musik, womit die Regisseurin stets respektvoll umgeht. Für alle ist das Sammeln von Vinyl-Platten eindeutig die Königsdisziplin. So hat einer zwei Zimmer zum Musikhören. Seine Vinyl-Platten hört er im "besseren". Da gibt es Rock- und Metal-Fans, die stolz auf ihre Jacken voller Badges ihrer Lieblingsbands sind. Und ja, auch die signierte und seit Jahren ungewaschene Jacke gibt es. Im Internet könne man Fanartikel kaufen, so ein Fan. Um Musik zu kaufen sei das Netz aber völlig ungeeignet. Dafür müsse man in den Laden, nur dort kann man stöbern, diskutieren, Schätze entdecken und die Gemeinschaft Gleichgesinnter erfahren. Im Internet ist man immer allein. Für sie alle ist das Sound it Out Anlaufstelle und Wassertränke. Welchen Respekt die Musikliebhaber voreinander haben, sieht man, wenn ein kleiner Live-Gig einer lokalen Musikerin im Sound it Out gezeigt wird. Gute Musik schätzen eben alle, egal welche Vorlieben sie sonst haben. Mit dem Verschwinden solcher Läden, diesen Inseln der Individualität, werden die Städte ärmer und austauschbarer. Olaf Kieser UK 2011 R, B & K: Jeanie Finlay
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