TRÄNEN DER SONNE Bruce allmighty
Mr. Willis rettet Negerkinder Man kann sagen was man will, aber weltpolitisch hat Hollywood die Nase vorn. Oft liegt das daran, dass das Weltgeschehen - der 11.September und seine kriegerischen Folgen - die Fantasien der Drehbuchschreiber eingeholt hat. Manchmal liegt ein politischer Stoff aber auch einfach in der Luft. Der erste Drehbuchentwurf zu Antoine Fuquas Militär-Action-Drama Tränen der Sonne datiert auf das Jahr 1995. Seitdem haben die Namen afrikanischer Bürgerkriegsgebiete gewechselt, die Bilder sind jedoch die gleichen geblieben: Massaker, Vertreibung, Flucht und Hunger. Dass ein Film wie Tränen der Sonne , der eine amerikanische Eliteeinheit in ein solches Krisengebiet absetzt, mitten in die Diskussion um den Einsatz von US-Truppen in Liberia hineingeriet, liegt nicht an den visionären Fähigkeiten der Filmemacher, sondern allenfalls am geschickten, tagespolitischen Kalkül der Verleihstrategen. Die Drehbuchautoren Alex Lasker und Patrick Cirillo haben in Nigeria - ein bis dato recht stabiles Staatsgefüge auf dem schwarzen Kontinent - einen blutigen Bürgerkrieg durch muslimischen Rebellen installiert. Lieutenant Waters (Bruce Willis), seines Zeichens Kommandeur einer kompakten Eingreiftruppe der Navy-SEALS, bekommt den Auftrag, eine Handvoll Amerikaner zu evakuieren, die in einer Dschungelmission zwischen die Fronten geraten sind. Seit Stirb langsam hat jeder erste Auftritt von Bruce Willis als harter Brocken sein eigenes Kultpotential. Hier schreitet Bruce, der Allmächtige, im Stechschritt über die Landebahn eines Flugzeugträgers stirnrunzelnd der Frühabendsonne entgegen, und schon nach wenigen Sekunden ist klar, wer hier der Mann ist, dem man nichts vormachen kann. In Tränen der Sonne spielt Willis den erfahrenen Krieger so geradlinig, dass alle Versuche, die Figur aus einem ironischen Blickwinkel zu betrachten, einfach abprallen müssen. Lieutenant Waters ist ein präziser Befehlsausführer. Auch als die schöne Dschungelärztin Dr. Lena Kendricks (Monica Bellucci) sich weigert, ohne ihre Patienten mitzukommen, behält der wortkarge Militärprofi Auftrag und Zeitplan genau im Auge. Am Hubschrauberlandeplatz angekommen, bugsiert er die US-Bürgerin befehlsgemäß in den Helikopter und überlässt die Einheimischen ihrem Schicksal. Erst als sie beim Überflug sehen, welches Blutbad die Rebellen zwischenzeitlich in der Mission angerichtet haben, meldet sich sein Gewissen zu Wort. Er lässt umdrehen und aus Gründen, die wahrscheinlich nicht einmal die Drehbuchautoren verstehen, können nur ein knappes Dutzend Kinder und Gebrechliche in die beiden geräumigen Hubschrauber verladen werden. Waters und seine Mannen müssen sich hingegen mit Dr.Kendricks und einer Gruppe von Einheimischen per Pedes durch den Dschungel nach Kamerun schlagen. Natürlich werden sie verfolgt von blutrünstigen Rebellen und auf ihrer Reise mit den Grausamkeiten afrikanischer Bürgerkriegsführung konfrontiert. Als die US-Elite-Soldaten Zeuge eines brutalen Massakers werden, greifen sie gegen alle Vorschriften in den Konflikt ein und säubern das Dorf mit professioneller Präzision von den ethnischen Säuberern. Antoine Fuqua ( Training Day ) ist kein Freund von Subtilitäten. Er nimmt das Publikum an den Haaren und stößt es mitten hinein in ein Blutbad, in dem die Rebellen Zivilisten wahllos niederschießen und mit langen Macheten verstümmeln. Im allzu dunklen Urwald, der oft so düster ausgeleuchtet ist, dass man auf der Leinwand kaum noch etwas erkennt, werden die amerikanischen Kämpfer zu gefeierten Rettern der Zivilisation. Dabei geht das westliche Gute in traditioneller Arbeitsteilung vor. Monica Bellucci bildet das weiblich-attraktive moralisch Zentrum und vertritt als Ärztin einen humanitären Absolutheitsanspruch. Keine wäre für die Rolle besser geeignet, denn kaum eine Schauspielerin kommt dem Eros der Heiligen Jungfrau Maria so nahe wie Monica Bellucci. Ihr gegenüber vertritt der wortkarge Bruce Willis den harten, männlichen Pragmatismus, mit dem die moralischen Ansprüche gegen erbitterte Widerstände durchgesetzt werden. Und es besteht kein Zweifel: Bruce und Monica, der Krieger und die Heilige - gemeinsam könnten die beiden die ganze Welt von all ihrer Schlechtigkeit befreien.
Martin Schwickert
USA 2003. R: Antoine Fuqua. B: Alex Lasker, Patrick Cirillo. K: Mauro Fiore. D: Bruce Willis, Monica Bellucci, Cole Hauser, Tom Skerritt
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