EIN SOMMERNACHTSTRAUM Leicht beschwipst
Gelackte Liebe in der Toscana Die Shakespeare-Renaissance im Kino will einfach nicht enden, und in wenigen Jahren werden wohl die gesammelten Werke des Meisters auch als schmucke Video-Kollektion erhältlich sein. Auf dem enger werdenden Markt stehen sich kecke Modernisten und werktreue Puristen konkurrierend gegenüber. Baz Luhrmanns hochgestylter Romeo und Julia -Remix und John Maddens Klassiker-Sampler Shakespeare in Love lockten (zur Freude der Englisch-Lehrer) Millionen williger Teenager ins Kino. Kenneth Branaghs vierstündige Hamlet -Verfilmung hingegen richtete sich wohl eher an eingeschworene anglistische Literaturzirkel. Regisseur Michael Hoffmann hat sich nun den "Sommernachtstraum" vorgenommen und scheint sich nicht so recht zwischen den Lagern entscheiden zu können. Und so modernisiert er ein bisschen herum, verlegt das Stück aus dem antiken Athen in die italienische Toscana des ausgehenden 19.Jahrhunderts und rüstet das gesamte Ensemble dekorativ mit bunten Fahrrädern aus. Im Werk Shakespeares ist Ein Sommernachtstraum so etwas wie das Gegengift zu Romeo und Julia . Die romantische Liebe ist hier keine bierernste, todbringende Angelegenheit, sondern wird vom Zufall des Elfenzaubers gelenkt. Dabei beginnt alles vielversprechend dramatisch: Hermia (Anna Friel) soll nach dem Willen des Vaters (Bernard Hill) den jungen Demetrius (Christian Bale) ehelichen, liebt aber den schmucken Lysander (Dominic West). Der regierende Graf (David Strathairn) verurteilt Hermia wahlweise zur unfreiwilligen Vermählung oder zum Tode. Die Liebenden flüchten sich in den sommernächtlichen Wald, gefolgt von Demetrius, dem wiederum Helena (Calista Flockhart) in amouröser Ergebenheit hinterherläuft. Ebendort herrscht Elfenkönig Oberon (Rupert Everett), der durch seinen Diener Puck (Stanley Tucci) Liebestropfen in großzügigen Dosierungen verteilen lässt und das Quartett in ausufernde emotionale Wirren verstrickt. Auch die schöne Elfenkönigin Titania (Michelle Pfeiffer) bekommt die Liebes-Medizin verabreicht und verfällt, unter dem Gespött des Hofes, dem eselsohrigen Amateurschauspieler Nick Bottom (Kevin Kline). Gerade das Medium Film scheint für diesen Zauber bestens geeignet zu sein. Aber Hoffmann findet keinen eigenen, souveränen Umgang mit dem Stoff, verlegt sich aufs Geschmäcklerische, und ruht sich auf seiner prominenten Besetzungsliste aus. Sicherlich ist die toscanische Sommerlandschaft ebenso hübsch anzusehen wie Michelle Pfeiffer als goldgelockte Elfenkönigin. Auch Stanley Tucci mit adretter Hörnchenfrisur ist sehr charmant, und Kevin Kline gibt sich mit seinen Eselsohren ebenfalls große Mühe. Aber alle scheinen in dieser betulichen Inszenierung an den geschwungenen Versen zu kleben, was Shakespeare als rauschende Liebeskomödie angelegt hat, wird zum angeschwipsten Lustspiel. Also warten wir noch ein paar Jahre, bis ein Jungregisseur den "Sommernachtstraum" mit dröhnenden Techno-Klängen unterlegt und als LSD-Rausch inszeniert. Natürlich nicht in den Hügeln der Toscana, sondern in den U-Bahn-Schächten von New York ...
Martin Schwickert
|