SOMMERHUNDESÖHNE

Extase im Orangenhain
Zwei Jungstars helfen einem recht wilden Debüt über die Straße

Schon im ersten Bild des Films ist klar, dass der Regisseur beachtliche Einfälle hat, aber keine ernsthafte Idee. Eine Berliner Straßenszene materialisiert sich aus einer Computergrafik zum echten Leben. Ein Motorrad steht an einem Brunnen. Vor dem kniet jemand mit dem Kopf im Wasser. Lange. Dann kommt er wieder hoch, schüttelt sich, steigt aufs Motorrad und versucht wegzufahren. Aber es springt nicht an. Dabei bleibt die Kamera die ganze Zeit weit entfernt, damit der Effekt bloß nicht emotional wird. Der gescheiterte City-Cowboy (Stipe Erceg) ist schnell eingeführt, aber verschenkt.
Die zweite Hauptperson (Fabian Busch) tritt als Muttersöhnchen auf. Bewacht das Wohnmobil, während die Erziehungsberechtigten bei Ikea einkaufen. Spielt am Zündschloss, rammt versehentlich das Motorrad des Cowboys und die Situation ist da.
Warum aber gerade auf diesem Parkplatz, ist wohl in den Wirren der Filmförderung verloren gegangen. Debüt-Regisseur Cyril Tuschi nämlich wollte ursprünglich nur mit einem Camcorder und einer vagen Idee nach Marokko fahren, drei Fernsehsender und diverse Fördergremien bestanden aber auf einem richtigen Drehbuch und einer ordentlichen Crew. Dafür gab es dann zwar echte Schauspieler (die retten alles), aber auch ein Team, das unterwegs verpflegt werden musste. Und eben das Buch, das scheinbar niemand vor dem Drehen noch mal las.
Egal, der Cowboy entführt den Van samt Muttersöhnchen; irgendwas treibt ihn nach Marokko, irgendwie wird das Weichei unterwegs zum Mann und der Rüpel zum Gefühlsmensch, und irgendwoher platzt auch noch eine Frau in die Story (Lilja Löffler), die von ihrem Mann verfolgt wird und einmal mißverständniserregend nackt zwischen den Hauptmännern steht. Das wird nicht rund.
Was Cyril Tuschi eigentlich wollte, entfaltet sich in skurrilen Begegnungen und Begebenheiten am Rande. Eine Extase in einem Orangenhain riecht nach Rohmer, eine Western-Episode in Spanien nach Kusturica, ein seltsamer Sammler schaut aus einem Richard Lester-Film vorbei, und einmal springen die Helden einfach aus der Handlung auf einen Flughafen, damit der Sponsor seinen Shot kriegt. Der Computer trickst aus dem Flugfeld dann die geheimnisvolle Oase, zu der beide eigentlich wollen. Dass sie die nie erreichen, wirkt am Ende sehr poetisch, ist aber Zufall. In Marokko angekommen, ging dem Team einfach das Geld für den schönen Schluss aus.
Nochmal egal, die SommerHundeSöhne tuckern so krude, unbekümmert, nonchalant zwischen Plot und Phantasmagorie hindurch, dass man sich gar nicht vorstellen mag, wie ein "richtiger" Film über sie ausgesehen hätte.
Vielmehr möchte man den Gremien und Redaktionen raten, beim nächsten Mal Cyril Tuschi einfach eine Kamera und ein paar Tickets auszulegen. Wenn er keine Story erzählen muss, fallen ihm offenbar genug Geschichten ein.

WING
BRD 2005, R/B: Cyril Tuschi, K: Peter Dörfler, D: Stipe Erceg, Fabian Busch, Lilja Löffler u.a., 100 Min.